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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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man mich erwischt? Dann bin ich den Fall los, so viel steht fest …«
»Du machst, was ich dir sage, und schickst den Brief ab.«Reverdi lächelte verzerrt. »Aber komm ja nicht auf die Idee, ihn zu lesen. Der Brief ist wie eine Narbe. Wenn du ihn zuöffnen versuchst, spür ich es am eigenen Leib. Dann wirst du mich kennen lernen, das verspreche ich dir.«
»Das sind doch hoffentlich keine Drogen, oder?«Mark gab keine Antwort. Durch die Trennscheibe betrachtete er den Umschlag in Alains Händen und wunderte sich. Er hatte wie jeden Morgen das Postamt aufgesucht, obwohl er vor dem 20. April nichts erwartete.
    Aber schon am 15. war ein Brief für ihn gekommen. Ein Umschlag in Plastikfolie mit den Buchstaben DHL darauf. »Was ist da drin?«, fragte der Postbeamte.
»Ich hab keine Ahnung.«
»Wieder aus Malaysia.« Alain beugte sich vor, sah sich kurzum und murmelte dann dicht an der Scheibe: »Das stinkt doch, Ihre Geschichte …«Mark schwieg. Er wollte nur eines, über die Scheibe hinweglangen und den Umschlag an sich bringen.
»Seitdem Sie diese postlagernde Adresse eröffnet haben, sind nur drei Briefe gekommen. Immer aus Malaysia. Was soll das bedeuten?«
»Machen Sie sich keine Gedanken, es ist alles in Ordnung. Kann ich jetzt meinen Brief haben?«
Aber der Postbeamte ließ sich Zeit.
»Was macht Ihre Freundin«, fragte er, »wie geht’s ihr?«
»Welche Freundin?«
Seine Vergesslichkeit verriet ihn. Alain musterte Mark mit einem Lächeln und las den Namen der Empfängerin vom Umschlag ab:
»Elisabeth Bremen. Ihre angeblich bettlägerige Freundin. Die nur Briefe aus Malaysia kriegt.«
»Sie hat ziemlich lang dort gelebt«, improvisierte Mark, dem endlich aufgegangen war, dass die Sache eine schlechte Wendung nahm. »Sie studiert Volkswirtschaft.«
»Und ihre Hüfte?«
»Was ist mit ihrer Hüfte?«
»Na, der Unfall. Beim Volleyball.«
Mark hatte eine absurde Mühe, sich auf Alains Fragen zu konzentrieren. Seine Gedanken drehten sich im Kreis: Reverdi hatte sich einen Trick einfallen lassen, um ihm, geschützt vor der Kontrolle der Gefängnisverwaltung, seine Antwort per Eilboten zukommen zu lassen. Was war in dem Umschlag?
»Es wird langsam wieder«, sagte er mühsam. »Aber sie muss wohl noch ein paar Wochen das Bett hüten. Geben Sie mir jetzt meinen Brief oder nicht?«
Alain war pikiert. Zögernd, fast widerstrebend schob er den Plastikumschlag in die Durchreiche neben dem Schalter.
»Das ist Studienmaterial«, sagte Mark mit gewinnendem Lächeln. »Es ist wirklich alles ganz harmlos.«
Er griff nach dem Umschlag und sah sofort oben links die Adresse des Absenders:
    JIMMY WONG-FAT 7TH FLOOR, WISMA HAMZAH-KWONG HING NO. 1 LEBOH AMPANG 50 100 KUALA LUMPUR, MALAYSIADer Anwalt von Jacques Reverdi; er erinnerte sich an den Namen. Anscheinend sollte der Briefwechsel jetzt über sein Büro erfolgen – der Diskretion halber.
    Wie ein Getriebener verließ Mark das Postamt. Er musste sich mit aller Gewalt beherrschen, um den selbstklebenden Rand des Plastikumschlags nicht gleich hier auf dem Gehsteig aufzureißen.
    Den Brief fest an sich gedrückt, kehrte er im Laufschritt in sein Atelier zurück.
Kanara, den 10. April 2003Liebe Elisabeth, du akzeptierst die Regeln unserer Zweieinigkeit, und das freut mich. Du wirst also zuerst reden, ehe ich selbst das Wort ergreife.
Du hast es richtig verstanden: Ich brauche Beweise. Und diese Beweise sind scharlachrot.
Es gibt eine Bibelübersetzung, die man die »Jerusalemer Bibel« nennt, und eine Stelle darin hat mich immer tief beeindruckt, nämlich Genesis 9, 1-6. Die Zahlen sagen dir sicher nichts: Es ist das Ende der Geschichte von Noah und seiner Arche. Man hat ja immer ein positives Bild dieses Mannes, der mit seinen paarweise geretteten Tieren zurückkehrt, um die Erde zu bevölkern. Die Wahrheit ist weniger schön: Noah kommt mit der Nahrung der Menschen zurück. Nach der Sintflut hat sich Jahwes Zorn gelegt. Die Menschheit darf weiterleben, doch sie muss dazu die Tiere opfern. Das ist Gottes Geschenk an die Menschen: Alles Lebendige, das sich regt, soll ihnen zur Nahrung dienen.
Unter einer wesentlichen Bedingung, auf die Jahwe ausdrücklich hinweist: Sie dürfen kein Blut trinken und kein Fleisch essen, in dem noch Blut ist, denn das Blut ist »Sein« Eigentum. Das ist eine Konstante in allen Religionen: Das Blut wird auf dem Altar vergossen, niemand darf daran rühren. Denn das Blut, und darin ist die Jerusalemer Bibel ganz explizit, ist die Seele allen Fleisches. Und

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