Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Hörweite.
Ich sah Joe fragend an.
»Wer wartet, gewinnt.«
Ich hatte zugehört und alles niedergeschrieben, wie es meine Pflicht war, aber ich hatte ein ungutes Gefühl dabei. Wieder einmal fragte ich Joe, ob wir nicht etwas unternehmen sollten.
»Das Leben der Menschen hier ist in Gefahr«, sagte ich. »Dr. Mouldered hat doch keine Ahnung.«
Joe blieb unnachgiebig. »Er richtet keinen Schaden an. Außerdem gibt es niemanden im Dorf, der seine Arbeit tun könnte.«
Ich protestierte noch eine Weile, und Joe musste mich daran erinnern, dass es unsere Aufgabe sei, Geheimnisse zu hüten.
»Was meinst du, wie lange wir uns halten könnten, wenn wir diese Informationen weitergeben würden? Das Geschäft wäre verdorben.«
Das Geschäft, dachte ich. Was für ein Geschäft? Wir machten doch gar keinen Gewinn. Irgendwann musste das Geld zu Ende gehen, und was dann? Aber weil ich so leicht in dieses Leben hineingeglitten war und weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, dass es sich einmal ändern könnte, behielt ich meine Bedenken für mich. Ob ich nun verstand oder nicht, was hier gespielt wurde, auf keinen Fall wollte ich etwas tun, das Joe verstimmen könnte.
Kapitel 24
Jeremiah hat einen Plan
J eremiah Ratchet war mit seinem Latein so gut wie am Ende. Er hatte endgültig genug von Joe Zabbidous deutlicher Missachtung für seine, Ratchets, Position in der Gemeinde. Seine Geschäfte, seine Art, zu leben, seine Vergnügungen – alles war in Gefahr wegen dieses Mannes. Er brachte seinen Namen kaum mehr über die Lippen, und wenn doch, dann spuckte er ihn mehr oder weniger aus, meistens begleitet von Krümeln und bräunlichen Speichelfäden: Mit Vorliebe ließ sich Jeremiah seine Probleme beim Essen durch den Kopf gehen.
In seinem großartigen Speisezimmer aß er selten, gewöhnlich setzte er sich mit einem Tablett auf dem Schoß in sein Arbeitszimmer und nahm dort seine Mahlzeiten ein. Es war ein Raum von großzügigen Ausmaßen, nur schlecht beleuchtet, weil die Wände vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen zugestellt waren. Jedes Regal war bis zum Bersten voll und bog sich unter der Last stattlicher Bücherreihen. Jeremiah war ein Sammler. Er besaß gern Dinge, manchmal aus keinem anderen Grund, als sie zu besitzen. Ein großer Leser war er nicht; er fanddie erforderliche Konzentration ziemlich anstrengend für seinen Kopf. Er hatte es sich zum Prinzip gemacht, sich nur solche Bücher ins Regal zu stellen, mit denen er andere Leute beeindrucken konnte, oder solche, deren Preis vermutlich steigen würde. Die Folge war, dass die meisten Bücher zu einer schwer verständlichen Ausdrucksweise neigten und dass es darin entweder um Fakten ging, die er nicht begriff, oder um Handlungen, die er nicht nachvollziehen konnte. Jeremiah war ein glänzendes Beispiel für einen Menschen, der von allem den Preis kannte, aber von nichts den Wert.
Nun saß er in seinem Arbeitszimmer, kaute auf einer Lammkeule herum und dachte an Joe Zabbidou. Dieser Mann war eine einzige Plage. Erst heute war Job Wright vor der Bäckerei auf ihn zugekommen und hatte ihm einen Beutel mit einer Geldsumme überreicht, die mehr als die Hälfte seiner Schuld ausmachte. Später dann, nach dem Mittagessen, hatte Polly ihm erzählt, sie habe im Fenster des Pfandleihers ein Paar Hufeisen gesehen, und da hatte Jeremiah gewusst, dass wieder einmal Joe Zabbidou am Werk gewesen war.
»Schöne Hufeisen sind es, sie glänzen richtig«, hatte Polly mit Unschuldsmiene gesagt. »Ich könnte mir denken, dass Joe gutes Geld dafür bezahlt hat.« Dann hatte sie sich schnell aus dem Staub gemacht, und Jeremiah war sicher, dass er sie auf dem Weg zur Küche hatte kichern hören.
»Gleich am ersten Tag hätte ich ihn rauswerfen sollen«, sagte er reuevoll. »Ich habe ihn zu lange gewähren lassen.« Doch selbst Jeremiah ahnte, dass ein Rauswurf gar nicht so einfach gewesen wäre.
Er hatte natürlich erkannt, dass es zwischen der plötzlichen Zahlungsfähigkeit seiner Pächter und dem Schaufenster des Pfandleihers einen direkten Zusammenhang gab. Er rechnete sich aber aus, dass Joe unmöglich jedermanns Schulden finanzieren könne, dass er früher oder später ruiniert sein würde und dass dann alles wieder so werden würde wie früher. Aber Joe handelte nicht nach den üblichen Zwängen der Geschäftswelt.
Erschöpft schüttelte Jeremiah den Kopf.
»Wie kann ein Mann zu Reichtum kommen, wenn er ein halbes Vermögen für wertlosen Ramsch zahlt?«,
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