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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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verurteilt, allmählich begreift, dass seine Begnadigung rechtzeitig eingetroffen ist und er nicht hinter Ross und Schliegel, wie sein Kumpel Ronnie sagen würde, bleiben muss, sondern mit seiner unmittelbaren Entlassung rechnen kann. Er bekommt wieder etwas mehr Farbe. Er nimmt seine vorige Größe wieder an, und seine Augen verlieren ihren Schreckensglanz.
    »Erzähl mir, was Ebbie getan hat«, sagt Jack. »Das bleibt unter uns. Ich erzähl’s ihm nicht. Ehrlich, ich verpfeife dich nicht.«
    »Ebbie wollte, dass Ty noch mehr Magic Cards kauft«, sagt T. J., der sich durch unbekanntes Terrain vorantastet. »Wäre Ty da gewesen, hätte der’s auch getan. Ebbie kann ganz schön fies sein. Also … also hat er zu mir gesagt, fahr zurück und hol den Langweiler, sonst kriegst du’ne Kopfnuss.«
    »Also hast du dich aufs Rad gesetzt und bist auf der Chase Street zurückgefahren.«
    »Mhm. Ich hab mich umgesehen, aber Ty war nirgends. Obwohl ich ihn hätte sehen müssen, wissen Sie? Wo hätte er sonst sein sollen?«
    »Und …?« Jack zieht die Antwort, die er schon kennt, mit einer Handbewegung an Land.
    »Aber ich hab ihn einfach nicht gesehen. Da bin ich die Queen Street runtergefahren, wo das Heim für die alten Leute ist, das mit der großen Hecke davor. Und, äh, ich hab sein Fahrrad dort liegen sehen. Auf dem Gehsteig vor der Hecke. Sein Laufschuh hat auch dort gelegen. Und ein paar Blätter von der Hecke.«

    Das ist es also, das wertlose Geheimnis. Nun ja, vielleicht doch nicht ganz wertlos, so lässt sich nämlich der Zeitpunkt von Tys Verschwinden ziemlich genau bestimmen: gegen 8.15 oder 8.20 Uhr. Das Fahrrad und der einzelne Laufschuh des Jungen haben also fast vier Stunden lang auf dem Gehsteig gelegen, bevor Danny Tcheda sie aufgefunden hat. Den dortigen Straßenzug nimmt das Maxton praktisch allein ein, und vor Mittag ist niemand zum Erdbeerfest gekommen.
    T. J. schildert seine Angst – falls der Fisherman Ty in diese Hecke gezogen hatte, würde er vielleicht zurückkommen, um sich noch mehr zu holen! Auf Jacks abschließende Frage hin sagt der Junge: »Ebbie hat gesagt, wir sollen sagen, dass Ty vom Allsorts aus allein weggefahren ist, damit die Leute uns nicht, na ja, uns keine Schuld geben würden. Für den Fall, dass er umgebracht worden ist. Aber Ty ist nicht wirklich umgebracht worden, oder? Kids wie Ty werden nicht umgebracht.«
    »Hoffentlich nicht«, sagt Jack.
    »Ich hoff’s auch.« T. J. schnieft und wischt sich die Nase am Ärmel ab.
    »Okay, dann wollen wir sehen, dass ihr nach Hause kommt«, sagt Jack, indem er aufsteht.
    T. J. steht ebenfalls auf und bewegt sich hinter dem Tisch in Richtung Tür. »Oh! Mir ist noch was eingefallen!«
    »Was?«
    »Auf dem Gehsteig haben ein paar Federn gelegen.«
    Der Boden unter Jacks Füßen scheint wie ein Schiffsdeck erst nach rechts, dann nach links zu schwanken. Er hält sich auf den Beinen, indem er die Stuhllehne umklammert. »Wirklich?« Er achtet darauf, sich nichts anmerken zu lassen, als er sich dem Jungen zuwendet. »Was meinst du mit Federn?«
    »Schwarze Federn. Große, wie von einer Krähe. Eine hat neben dem Fahrrad gelegen, die andere hat im Schuh gesteckt.«
    »Das ist komisch«, sagt Jack und spielt auf Zeitgewinn, bis er sich davon erholt hat, dass in seinem Gespräch mit T. J. Renniker ganz unerwartet Federn aufgetaucht sind. Dass er darauf überhaupt reagiert, ist lächerlich; dass er auch nur eine Sekunde lang fürchtete, er werde in Ohnmacht fallen, ist grotesk. T. J.s Federn waren reale Krähenfedern auf einem realen

    Gehsteig. Seine eigenen waren Traumfedern, Federn irrealer Rotkehlchen, so illusorisch wie alles andere in einem Traum. Jack erzählt sich allerlei nützliche Dinge dieser Art und fühlt sich bald wieder normal, aber wir sollten wissen, dass das Wort Federn für den Rest des Abends und weit in den nächsten Tag hinein unterschwellig durch seine Gedanken schwebt – von einer Aura umgeben, die wie ein elektrischer Sturm geladen ist und gelegentlich mit dem zischenden Knall eines Blitzschlags hervorbricht.
    »Das war unheimlich«, sagt T. J. »Also, wie soll eine Feder in seinen Schuh gekommen sein?«
    »Vielleicht hat der Wind sie reingeblasen«, sagt Jack, der zweckmäßigerweise ignoriert, dass es den ganzen Tag über praktisch windstill war. Mit der beruhigenden Gewissheit, dass der Fußboden wieder stabil ist, macht er T. J. ein Zeichen, auf den Korridor hinauszugehen, und folgt ihm hinaus.
    Ebbie Wexler

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