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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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völlig rot – in einem hellen, blutenden Rot. Als die Augen sich ihm zuwenden, weiß Jack aber, dass Mouse ihn erkennt. Ihn vielleicht erstmals seit seiner Ankunft wirklich erkennt.
    Bear Girl flüchtet aus dem Raum und zieht eine verhallende Wortkette hinter sich her: »Ich kann nicht mehr ich kann nicht mehr ich kann nicht mehr …«
    »Scheiße«, sagt Mouse mit rostiger Stimme. »Scheiße, mit mir ist’s aus. Hab ich Recht?«
    Beezer streicht seinem Freund kurz, aber zärtlich über den Kopf. »Yeah, Mann, das stimmt wohl. Aber vielleicht kannst du uns noch irgendwie auf die Sprünge helfen?«
    »Hat mich einmal gebissen. Ein einziges Mal, und jetzt …
jetzt …« Er wendet seinen grausig roten Blick Doc zu. »Kann dich kaum sehen. Scheißaugen machen nicht mehr mit.«
    »Mit dir geht’s zu Ende«, sagt Doc. »Ich will dir da nichts vormachen, Mann.«
    »Nein, so weit ist’s noch nicht«, sagt Mouse. »Gib mir was zu schreiben. Damit ich eine Karte zeichnen kann. Beeil dich. Weiß nicht, was du mir gespritzt hast, Doc, aber das Zeug von dem Hund ist stärker. Ich bin bestimmt nicht mehr lange zurechnungsfähig . Schnell!«
    Beezer tastet am Fußende der Couch herum und findet ein großformatiges Taschenbuch. Angesichts der anspruchsvollen Werke in den Regalen muss Jack beinahe lachen, als er den Titel sieht: Die sieben Wege zur Effektivität. Beezer reißt den hinteren Umschlag ab und gibt ihn Mouse mit der unbedruckten Innenseite nach oben.
    »Bleistift«, krächzt Mouse. »Schnell. Ich hab’s alles, Mann. Ich hab’s hier.« Er tippt sich an die Stirn. Durch die Berührung löst sich ein Hautfetzen von der Größe einer kleinen Münze ab. Mouse wischt ihn an die Wolldecke, als wäre es ein Popel.
    Beezer kramt einen abgekauten Bleistiftstummel aus einer Innentasche seiner Weste. Mouse nimmt ihn und macht dabei einen Mitleid erregenden Versuch, dankend zu lächeln. Das schwarze Zeug, das ihm aus den Augenwinkeln quillt, hat sich ausgebreitet und liegt jetzt wie eine verrottende Gallertschicht auf seinen Wangen. Es quillt weiterhin in winzigen schwarzen Punkten, die Jack an Henrys Bücher in Blindenschrift erinnern, aus den Hautporen der Stirn. Als Mouse sich auf die Unterlippe beißt, um sich zu konzentrieren, platzt das empfindliche Fleisch sofort auf. Blut sickert in den Bart. Jack vermutet, dass der Verwesungsgeruch weiter vorhanden ist, aber Beezer hat Recht behalten: Man gewöhnt sich daran.
    Mouse legt sich den Buchumschlag quer hin und zeichnet rasch etwas darauf. »Sieh her«, sagt er zu Jack. »Das hier ist der Mississippi, okay?«
    »Okay«, sagt Jack. Während er sich über Mouse beugt, nimmt er den Gestank wieder wahr. Aus der Nähe ist es weit mehr als ein bloßer Gestank: Es ist ein Miasma, das ihm in die Kehle dringen will. Trotzdem weicht Jack nicht davor zurück.
Er weiß, wie verzweifelt Mouse sich anstrengt. Das Mindeste, was er tun kann, ist jetzt, seine Rolle zu spielen.
    »Hier ist die Stadtmitte – das Nelson, Lucky’s, das Agincourt Theater, der Taproom … hier mündet die Chase Street in die Lyall Road, dann in den Highway 35... hier ist Libertyville … die Halle der Veteranenvereinigung … Goltz’s … ah, verdammt …«
    Mouse fängt an, sich auf der Couch hin und her zu werfen. Auf Gesicht und Oberkörper platzen Geschwüre auf und beginnen zu bluten. Er schreit vor Schmerzen. Mit der Hand, die nicht den Bleistift hält, greift er sich ins Gesicht und betastet es hilflos.
    In Jacks Innerem erklingt nun eine Stimme – die strahlende, gebieterische Stimme, an die er sich aus der Zeit seiner Wanderungen vor vielen Jahren erinnert. Er vermutet, dass es die Stimme des Talismans ist – oder was davon in seinem Geist und seiner Seele zurückgeblieben ist.
    Es will nicht, dass er redet, es versucht ihn umzubringen, bevor er reden kann, es steckt in dem schwarzen Zeug, vielleicht ist es das schwarze Zeug, du musst ihn davon befreien …
    Manche Dinge sind nur zu schaffen, wenn die zimperliche Einmischung des Verstands ausgeschaltet wird; wo Schmutzarbeit zu tun ist, funktioniert der Instinkt oft am besten. Deshalb streckt Jack ohne nachzudenken eine Hand aus, packt den aus Mouses Augen quellenden schwarzen Schleim mit den Fingern und zieht daran. Anfangs dehnt das Zeug sich nur, als wäre es aus Gummi. Gleichzeitig kann Jack spüren, wie es sich in seinem Griff dreht und windet, ihn vielleicht zu kneifen oder zu beißen versucht. Dann schnellt es hörbar vibrierend heraus. Jack

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