Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
gefesselt im Black House, so hilflos wie man nur sein kann.
Charles Burnside schlurft durch Rebecca Vilas’ fensterloses Kabuff, wobei ihm Poochie Flaglers blasser Hintern mit seinen tiefen Grübchen lebhaft vor Augen steht. Er legt eine Hand auf den nächsten Türknauf, hält kurz inne, um sich zu sammeln, und dreht dann lautlos den Türknauf. Die Tür öffnet sich eben weit genug, um ihm Chipper Maxton, den einzigen Herrscher dieses Reiches, zu zeigen. Er sitzt über den Schreibtisch gebeugt, stützt den Kopf auf eine Faust und benützt einen gelben Bleistift, um Anmerkungen auf zwei Sätzen von Papieren zu machen. Die Spur eines Lächelns macht seinen schmallippigen Mund weicher; in den feuchten Augen steht die Andeutung eines Glitzerns; der Bleistift eilt geschäftig zwischen den beiden Papierstapeln hin und her und macht winzige Zeichen.
Chipper ist zu glücklich in seine Arbeit vertieft, um zu merken, dass er nicht mehr allein ist, bis sein Besucher hereintritt und die Tür mit einem Fußtritt hinter sich schließt.
Beim Zuknallen der Tür blickt Chipper verärgert auf und mustert dann die vor ihm stehende Gestalt prüfend. Seine Haltung verwandelt sich fast augenblicklich in eine verschlagene, unangenehme Herzlichkeit, die er wahrscheinlich für entwaffnend hält. »Klopft man bei Ihnen zu Hause nicht an Türen, Mr. Burnside? Man platzt einfach rein, stimmt’s?«
»Platzt einfach rein«, sagt sein Besucher.
»Schon gut. Ich hatte sowieso vor, mal mit Ihnen zu reden.«
»Mit mir reden?«
»Ja. Treten Sie doch näher. Nehmen Sie Platz. Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem, und ich möchte ein paar Möglichkeiten ausloten.«
»Oh«, sagt Burny. »Ein Problem.« Er zupft sich das Hemd von der Brust weg, um die Umrisse der Heckenschere zu verwischen, trottet weiter und hinterlässt dabei stetig schwächer werdende Fußabdrücke, die Maxton aber nicht auffallen.
»Platzen Sie sich«, sagt Chipper mit einer Handbewegung zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Ziehen Sie sich’nen Poller ran und ruhen Sie Ihre Knochen aus.« Diese Redewendung hat er von Franky Shellbarger, dem Kreditsachbearbeiter der First Farmer State Bank, der sie bei den hiesigen Rotariertreffen ständig im Munde führt, und obwohl Chipper Maxton keine Ahnung hat, was ein Poller sein könnte, findet er diesen Ausdruck echt niedlich. »Mein lieber Oldtimer, Sie und ich sollten offen und ehrlich miteinander sprechen.«
»Ah«, sagt Burny und setzt sich, wegen der Heckenschere allerdings steif wie ein Ladestock. »Offn un eelich.«
»Yeah, genau so stelle ich mir das vor. He, ist das Hemd da nass? Tatsächlich! Das geht doch nicht, alter Kumpel, Sie könnten sich eine Erkältung holen und sterben. Und das wäre wohl keinem von uns beiden recht, oder? Sie brauchen sofort ein trockenes Hemd. Mal sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Sparen Sie sich die Mühe, blöder Affe.«
Dieser verbale Ausfall des Alten bringt Chipper Maxton, der bereits aufgestanden ist und sich sein Hemd richtig in die Hose
stopft, kurzfristig aus dem Gleichgewicht. Aber er erholt sich davon schnell wieder, grinst und sagt: »Warten Sie hier auf mich, Chicago.«
Obwohl Burnside bei der Erwähnung seines Geburtsorts ein Kribbeln das Rückgrat hinunterläuft, lässt er sich nichts davon anmerken, während Maxton hinter dem Schreibtisch hervorkommt und das Büro durchquert. Er beobachtet, wie der Direktor den Raum verlässt. Chicago . Wo Poochie Flagler und Sammy Hooten und Fred Brogan und all die anderen, Gott hab sie selig, gelebt haben und gestorben sind. Getreidehalme, Grasrispen, so abscheulich so schön so verlockend. Mit ihrem Lächeln und ihren Schreien. Wie alle weißen Slumkinder unter der Schmutzkruste von reinem Elfenbeinweiß – das fischige Weiß der großstädtischen Armen, die nicht mehr lange zu leben hatten. Die zarten Knochen ihrer Schulterblätter, die hervortraten, als wollten sie die dünne Schicht aus Fleisch durchsto ßen. Burnys altes Glied regt sich und wird wieder steif, als würde es sich an die Freuden vergangener Jahre erinnern. Tyler Marshall, gurrt er in sich hinein, hübscher, kleiner Ty, wir werden uns ein bisschen amüsieren, bevor wir dich dem Boss übergeben, ja das werden wir ja wirklich ja ja.
Hinter ihm fällt die Tür ins Schloss und reißt ihn aus seinen erotischen Wachträumen. Aber sein altes Ding, sein alter Pimmel, der bleibt wach und auf dem Posten, kühn und dreist wie zu seinen besten Tagen.
»Niemand in der
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