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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Schock zu stehen und murmelte permanent »njet, njet«, als der für die Hinrichtung abkommandierte Sergeant den Lauf seiner Neunmillimeter-Makarov gegen seinen Hinterkopf drückte. Auf ein Nicken von Grischin hin drückte der Mann ab. Ein Blitz, und es regnete Blut und Knochensplitter. Einen Wimpernschlag danach prallte Kruglow mit dem, was von seinem Gesicht noch übrig war, auf dem Boden auf.
    Der Wissenschaftler, ein eingefleischter Atheist, flehte den allmächtigen Gott an, er möge seiner Seele gnädig sein. Was kaum zwei Meter neben ihm geschehen war, schien er gar nicht bemerkt zu haben. Wie der Diplomat kippte auch er mit dem Gesicht nach vorn.
    Oberst Pjotr Solomin war der letzte. Er starrte zum Himmel hinauf, sah vielleicht ein letztes Mal die Wälder und Flüsse seiner Heimat, die so reich an Wild und Fischen waren. Als er den kalten Stahl am Hinterkopf spürte, führte er den linken Arm um seinen Körper und deutete auf den hinter ihm an der Mauer stehenden Grischin. Der Mittelfinger war kerzengerade ausgestreckt.
    »Feuer!« schrie der Oberst, und im nächsten Moment war alles vorbei. Er ordnete eine Beerdigung in nicht gekennzeichneten Gräbern in den Wäldern außerhalb Moskaus an. Selbst im Tod durfte es keine Gnade geben. Den Hinterbliebenen wurde für immer ein Ort verwehrt, an dem sie Blumen für die Toten hätten ablegen können.
    Oberst Grischin stolzierte zur Leiche des Sibirers hinüber und beugte sich sekundenlang über ihn, ehe er sich wieder aufrichtete und davonging.
    Kaum war er in sein Büro zurückgekehrt, um mit dem Bericht zu beginnen, als das rote Licht seines Telefons aufleuchtete. Der Anruf kam von einem Kollegen aus der Ermittlungsabteilung der Zweiten Hauptverwaltung.
    »Wir glauben, daß wir den vierten bald haben«, meldete der Mann. »Es kommen nur noch zwei in Frage. Beide Oberst, beide in der Spionageabwehr, beide in Ostberlin. Wir beobachten sie rund um die Uhr. Früher oder später kriegen wir den richtigen. Sollen wir Ihnen Bescheid geben, wenn wir zuschlagen? Wollen Sie bei der Verhaftung dabeisein?«
    »Geben Sie mir zwölf Stunden«, sagte Grischin. »Nur zwölf Stunden, und ich bin da. Diesen da will ich für mich. Mit ihm ist es eine persönliche Sache.«
    Die Ermittler wußten, daß ein mit allen Wassern gewaschener Offizier der Gegenspionage die härteste Nuß von allen war. Nach langen Jahren an vorderster Front roch er sofort den Braten, wenn sich die Gegenspionage gegen ihn richtete. Solche Leute versteckten keine unsichtbare Tinte in zusammengerollten Socken und kauften keine Wohnungen.
    Früher war alles leichter gewesen. Ein Verdächtiger wurde verhaftet und so lange in die Zange genommen, bis man ein Geständnis hatte oder ihm einen Fehler nachweisen konnte. Im Jahr 1990 bestanden die Behörden jedoch auf einem Schuldbeweis oder zumindest ernstzunehmenden Indizien, ehe man die Folterinstrumente auspacken durfte. Nun, Lysander würde keine Spuren hinterlassen. Ihn mußte man auf frischer Tat ertappen. Dafür waren Fingerspitzengefühl und Zeit nötig.
    Darüber hinaus war Berlin jetzt eine offene Stadt. Rein technisch galt der Osten zwar noch als sowjetischer Sektor, aber die Mauer war verschwunden. Wenn er etwas merkte, konnte sich der Schuldige mühelos davonmachen – eine kurze Autofahrt auf die Lichter des Westens zu, und schon war er in Sicherheit. Und dann war es zu spät.
    Die Projektgruppe war auf fünf Mitglieder begrenzt worden. Dazu gehörten der Vorsitzende des geopolitischen Komitees, sein Pendant von der Abteilung Strategie, der Sprecher der Wirtschaftsexperten, Saul Nathanson und Nigel Irvine. Letzterer fand sich automatisch in der Rolle des Vorsitzenden wieder, während die anderen vor allem Fragen stellten.
    »Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum«, eröffnete Ralph Brooke, der Vertreter der freien Wirtschaft, die Diskussion. »Ziehen Sie die Ermordung dieses Komarow in Erwägung?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil das in den seltensten Fällen gelingt. Und selbst bei einem Erfolg wären die Probleme damit nicht gelöst.«
    Irvine erinnerte sich nur zu gut an verschiedene gescheiterte Versuche der mit Geld und Technologie bestens ausgestatteten CIA, Fidel Castro zu »erledigen«. Was hatten sie sich nicht alles einfallen lassen! Sprengstoff in den Zigarren, die der Diktator dann nicht rauchte; ein mit Gift getränkter Anzug, den er nicht tragen wollte; Schuhcreme, deren Dämpfe Haarausfall verursachen und ihn so seiner

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