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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Bonner CIA-Leute nicht feststellen. Sie lasen nur den Namen des Adressaten, Jason Monk, und der war in Langley. Der Umstand, daß sie in Westberlin aufgegeben worden war, hatte nichts zu besagen. Turkin hatte sie fertig frankiert durch das offene Fenster in ein Auto mit Westberliner Nummer geworfen und dem verblüfften Fahrer im Weitergehen »Bitte!« zugerufen. Als seine Beschatter um die Ecke bogen, war alles schon wieder vorbei. Der Berliner war so nett gewesen und hatte die Karte aufgegeben.
    Solche Aktionen auf gut Glück werden nicht empfohlen, aber es ist schon Merkwürdigeres vorgekommen.
    Auffällig an dieser Karte war das Datum. Sie war am achten September abgestempelt worden, und jeder Deutsche oder Spanier hätte 8.9.90 geschrieben. Aber hier stand es in der amerikanischen Schreibweise, mit dem Monat zuerst und dann dem Tag. Außerdem stimmte es nicht. Es hieß 9/23/90. Für Monk bedeutete das: Ich muß Sie am dreiundzwanzigsten Tag dieses Monats um neun Uhr treffen. Und dem spanischen Namen entnahm Monk: Lage kritisch. Dringend!
    Der Treffpunkt war klar: die Terrasse des Operncafes in Ostberlin.
    Am dritten Oktober sollte mit der Wiedervereinigung Deutschlands endgültig die Teilung Berlins aufgehoben werden. Damit fand auch die Vormachtstellung der UdSSR im Osten ein Ende. Die Westberliner Polizei würde einziehen und nach westdeutschem Muster für Recht und Ordnung sorgen. Von da an würde sich der KGB mit einer wesentlich kleineren Zentrale im Gebäude der sowjetischen Botschaft Unter den Linden begnügen müssen. Für die größeren Operationen war dann Moskau zuständig. Das hieß, daß Turkin möglicherweise nach Moskau abgezogen wurde. Wenn er sich absetzen wollte, dann jetzt. Andererseits lebten seine Frau und sein Sohn in Moskau. Gerade hatte die Schule wieder begonnen.
    Irgend etwas brannte ihm unter den Nägeln, und er wollte es seinem Freund persönlich sagen. Und zwar dringend. Im Gegensatz zu Turkin wußte Monk von Delphis, Orions und Pegasus' Verschwinden. Mit jedem Tag, der verstrich, wuchsen Monks Sorgen.
    Bis auf einen waren sämtliche Gäste abgereist. Vorher waren unter Aufsicht sämtliche Kopien der Dokumente, ausgenommen Sir Nigels persönliche Unterlagen, restlos verbrannt und die Aschenreste in den Wind gestreut worden. Als letzter verließ Irvine gemeinsam mit dem Gastgeber die Ranch.
    Er war ihm dankbar, daß er in seiner Privatmaschine mit nach Washington fliegen durfte. Das traf sich gut, denn er kannte dort jemanden. Vom abhörsicheren Flugzeugtelefon aus rief er einen alten Freund an, der in der Nähe von Washington lebte, und verabredete sich mit ihm zum Essen. Danach machte er es sich auf dem Ledersitz gegenüber seinem Gastgeber bequem.
    »Ich weiß, daß wir keine weiteren Fragen stellen sollen«, eröffnete Saul Nathanson das Gespräch und schenkte zwei Gläser edlen Chardonnay ein. »Aber darf ich Sie etwas Persönliches fragen?«
    »Aber selbstverständlich, mein lieber Freund. Eine Antwort kann ich Ihnen allerdings nicht garantieren.«
    »Ich versuche es einfach mal. Als Sie nach Wyoming kamen, hofften Sie doch sicher, die Vollmacht für die eine oder andere Operation zu erhalten, nicht wahr?«
    »So ungefähr. Aber dann haben Sie den Sachverhalt viel besser umschrieben, als ich es je vermocht hätte.«
    »Wir alle waren zutiefst entsetzt. Aber es saßen sieben Juden am Tisch. Warum ausgerechnet Sie?«
    Nigel Irvine sah auf die unter ihnen treibenden Wolken hinab. Irgendwo darunter mußten sich die riesigen Weizenprärien Amerikas erstrecken. Jetzt, im September konnte man hier noch ernten! Wie viele Menschen davon lebten! Er sah wieder einen anderen Ort, weit entfernt von hier und lange her. Britische Tommies übergaben sich in der Sonne; Bulldozerfahrer hielten sich wegen des Gestanks Masken vors Gesicht, während sie die Berge von Toten in klaffende Gruben schoben; aus stinkenden Etagenkojen reckten sich die Arme lebender Skelette, menschliche Krallen, die stumm um ein bißchen Essen bettelten.
    »Weiß ich eigentlich selbst nicht. Hab' es einmal mitgemacht und will es nicht noch mal erleben. Bin wohl altmodisch.«
    »Altmodisch«, lachte Nathanson. »Okay, dann trinke ich darauf. Wollen Sie selbst nach Rußland reisen?«
    »Es läßt sich wohl nicht vermeiden.«
    »Passen Sie gut auf sich auf, mein Lieber.«
    »Wissen Sie, Saul, wir hatten einen Spruch beim Geheimdienst: Es gibt alte Agenten, und es gibt wagemutige Agenten. Aber wagemutig und alt in einem, das

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