Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
ihm den Gefallen.
    Es war ein milder Herbstabend, und die Cafeterrasse war überfüllt. So achtete auch niemand auf den mit einem leichten Sommeranzug aus deutscher Produktion bekleideten Turkin, der sich an einem soeben freigewordenen Tisch unmittelbar beim Bürgersteig niederließ.
    Als der Kellner den Tisch abräumte, bestellte er einen Kaffee, schlug eine deutsche Zeitung auf und fing an zu lesen.
    Weil Turkin in der Gegenspionage groß geworden war, in der seit jeher Überwachung im Vordergrund stand, galt er auch als Experte für Gegenüberwachung. Aus diesem Grund hielten seine Beschatter vom KGB tunlichst Abstand. Aber sie waren da. Ein Mann und eine Frau hatten sich auf der gegenüberliegenden Seite vom Platz der Oper auf eine Bank gesetzt und beobachteten ihn von dort aus. Mit ihren Walkmankopfhörern wirkten sie jung und unbeschwert.
    Die beiden standen mit zwei um die Ecke geparkten Wagen in Verbindung, teilten durch ihr diskret angebrachtes Mikrofon alles mit, was ihnen auffiel, und erhielten Anweisungen. In den Wagen saßen die Männer vom Zugriffkommando. Der langersehnte Verhaftungsbefehl war erteilt worden.
    Zwei Mitteilungen hatten letztlich den Ausschlag gegen Turkin gegeben. Ames hatte erwähnt, Lysander sei außerhalb der UdSSR angeworben worden und spreche spanisch. Aufgrund dessen hatte der KGB sämtliche Akten über Lateinamerika und Spanien gewälzt. Zwei Kandidaten waren übriggeblieben. Ein Mann, der vor fünf Jahren seinen ersten Auslandsposten in Ecuador angetreten hatte und später nach Ostberlin versetzt worden war, war ein heißer Tip gewesen, aber schließlich durch das Raster gefallen, denn laut Ames war Lysander vor sechs Jahren rekrutiert worden.
    Den zweiten und entscheidenden Hinweis verdankten sie einer Überprüfung sämtlicher Telefonverbindungen, die am Tag der fehlgeschlagenen Razzia in der Ostberliner Zweigstelle des KGB hergestellt worden waren. Sie hatten ja nie wirklich glauben können, daß sich der Mieter der CIA-Adresse rein zufällig eine Stunde vor der Durchsuchung abgesetzt hatte.
    Aus den Unterlagen ergab sich, daß jemand von der öffentlichen Zelle in der Vorhalle eben diese Nummer angerufen hatte. Der andere Verdächtige war an diesem Abend in Potsdam gewesen, so daß Oberst Turkin übrigblieb. Und er hatte die gescheiterte Razzia geleitet.
    Die Verhaftung hätte schon früher stattfinden sollen, doch dann hatte sich ein hochrangiger Offizier aus Moskau angemeldet. Dieser bestand auf seiner Teilnahme und wollte Turkin anschließend höchstpersönlich nach Moskau eskortieren. Und nun war der Verdächtige völlig überraschend zu Fuß losmarschiert, so daß seine Beschatter keine andere Wahl hatten, als sich an seine Fersen zu heften.
    Ein marokkanischer Schuhputzer schlurfte über den Bürgersteig auf die Cafeterrasse zu und bot den Besuchern durch Gesten seine Dienste an. Er erntete nur ein allgemeines Kopf schütteln. Die Ostberliner waren den Anblick von Schuhputzjungen in ihren Cafes nicht gewöhnt, und die meisten der Besucher aus dem Westen glaubten, es gebe ohnehin schon zu viele Asylbewerber aus der Dritten Welt in ihrer reichen Stadt.
    Schließlich nickte wenigstens einer dem Mann zu. Sofort klappte er seinen winzigen Hocker auf, kauerte sich vor seinem Kunden nieder und trug eilig schwarze Creme auf die klobigen Halbschuhe auf.
    Im nächsten Augenblick näherte sich auch schon ein Kellner, der ihn wegscheuchen wollte.
    »Da er angefangen hat, kann er genausogut weitermachen«, meinte der Gast in einem nicht ganz akzentfreien Deutsch. Mit einem Achselzucken entfernte sich der Kellner wieder.
    »Lange Zeit nicht mehr gesehen, Kolja«, murmelte der Schuhputzer auf spanisch. »Wie geht's Ihnen?«
    »Nicht so gut. Ich fürchte, es gibt Probleme.«
    »Welche?«
    »Vor zwei Monaten mußte ich eine Wohnung durchsuchen lassen. Sie war als CIA-Adresse denunziert worden. Ich konnte den Mann noch anrufen, und er schaffte die Flucht. Aber wie haben sie es erfahren? Hat jemand ausgepackt?«
    »Möglicherweise. Was hat Sie darauf gebracht?«
    »Es kommt noch schlimmer. Vor zwei Wochen war ein Offizier aus Moskau hier. Ich weiß, daß er in der Abteilung Analyse arbeitet. Seine Frau ist Ostdeutsche, und darum machten sie hier Urlaub. Bei einer Feier war er fürchterlich betrunken und prahlte damit, daß sie in Moskau mehrere Leute verhaftet haben. Einen aus dem Verteidigungsministerium und einen aus dem Auswärtigen Amt.«
    Die Nachricht traf Monk wie ein Schlag ins

Weitere Kostenlose Bücher