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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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zwölf Monaten theoretisch Zugang zur Akte 301 gehabt hatten, auf einundvierzig reduziert. Aldrich Ames, der noch auf seinem Italienischlehrgang war, stand mit auf der kürzeren Liste.
    Um ganz sicherzugehen, plädierten Jordan, Gaunt, Hathaway und zwei weitere für ernsthafte Ermittlungen, so schmerzlich sie auch sein mochten, gegen diese einundvierzig. Dazu hätten ein »feindlicher« Lügendetektortest und die Überprüfung ihrer finanziellen Verhältnisse gehört.
    Als amerikanische Erfindung wurde der Lügendetektor hoch eingeschätzt. Erst Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre zeigten Untersuchungen, wie fehlerhaft seine Ergebnisse sein konnten. Zum einen kann ein erfahrener Lügner ihn überlisten, und Spionage beruht auf Irreführung, deren Opfer hoffentlich nur der Gegner wird.
    Zum anderen müssen die Befrager ausgezeichnet vorbereitet sein, um die richtigen Fragen stellen zu können. Diese Vorbereitung setzt voraus, daß der Betreffende schon überprüft ist. Um den Lügner zu überführen, müssen sie erreic hen, daß der Schuldige denkt: ›O Gott, sie wissen alles, sie wissen alles!«, und Herzjagen bekommt. Kann der Lügner aus ihren Fragen schließen, daß sie nichts wissen, beruhigt er sich wieder und bleibt ruhig. Das ist der Unterschied zwischen einem freundlichen und einem feindlichen Lügendetektortest. Ist der Befragte ein cleverer und gut vorbereiteter Heuchler, ist die freundliche Version reine Papierverschwendung.

Entscheidend wichtig für die Ermittlungen, die der stellvertretende Direktor wollte, wäre die Überprüfung der finanziellen Verhältnisse gewesen. Hätten sie nur geahnt, daß Aldrich Ames, der vor zwölf Monaten nach einer unerfreulichen Scheidung und seiner Wiederverheiratung pleite und verzweifelt gewesen war, jetzt förmlich in Geld schwamm – alles seit April 1985 auf sein Bankkonto eingezahlt!
    An der Spitze der Gruppe, die Jordans Vorschlag ablehnte, stand Ken Mulgrew. Er erinnerte an den beängstigenden Schaden, den James Angleton mit seiner ständigen Bespitzelung loyaler Mitarbeiter angerichtet hatte, und wies warnend darauf hin, die Überprüfung der finanziellen Verhältnisse einzelner bedeute einen massiven Eingriff in die Privatsphäre und eine Verletzung von Bürgerrechten.
    Gaunt wandte ein, zu Angletons Zeiten habe man nie plötzlich ein Dutzend Agenten in nur sechs Monaten verloren. Angletons damalige Ermittlungen seien eine Folge seiner Paranoia gewesen; im Jahr 1986 habe die Agency handfeste Beweise dafür, daß etwas verdammt schiefgelaufen sei.
    Die Falken unterlagen schließlich. Die Bürgerrechte blieben Sieger. Die gründliche Überprüfung der einundvierzig wurde abgelehnt.
    Inspektor Pawel Wolski seufzte, als wieder eine Akte auf seinem Schreibtisch landete.
    Noch vor einem Jahr war er als Erster Wachtmeister der Abteilung Organisiertes Verbrechen glücklich und zufrieden gewesen. Dort hatten sie wenigstens Gelegenheit gehabt, die Lagerhäuser von Gangsterbanden auszuheben und ihre unredlich erworbenen Schätze zu beschlagnahmen. Ein cleverer Wachtmeister konnte recht gut leben, wenn beschlagnahmte Luxusartikel einem gewissen Schwund unterlagen, bevor sie dem Staat übergeben wurden.
    Aber nein, seine Frau hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Gattin eines Kriminalinspektors sein zu wollen. Also hatte er die nächste Gelegenheit wahrgenommen und den Lehrgang absolviert; anschließend war er befördert und zum Morddezernat versetzt worden.
    Nicht vorhergesehen hatte Wolski jedoch, daß man ihm die Identifizierungsstelle aufhalsen würde. Beim Anblick der Flut von »Wer-weiß-wen-kümmert's«-Akten, die er zu bearbeiten hatte, wünschte er sich oft in die Schabolowkastraße zurück.
    Immerhin war bei den meisten anonymen Mordopfern das Tatmotiv klar. Natürlich Raub. War seine Geldbörse fort, hatte das Opfer alles verloren: sein Geld, seine Kreditkarten, die Familienfotos und den äußerst wichtigen
pasport,
den innerrussischen Personalausweis mit Foto und sämtlichen Angaben zur Person. Oh, und natürlich sein Leben, denn sonst läge er jetzt nicht auf einem Metalltisch im Leichenhaus.
    Im Fall eines aufrechten Bürgers, dessen Geldbörse einen Überfall lohnte, gab es meistens Angehörige. Sie erstatteten Anzeige bei der Vermißtenstelle, die ihm jede Woche eine Zusammenstellung von Familienfotos schickte, aus der sich oft Übereinstimmungen ergaben. Dann war er in der Lage, der weinenden Familie zu erklären, wo sie ihren

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