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Das Schwebebahn-Komplott

Das Schwebebahn-Komplott

Titel: Das Schwebebahn-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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»Wir
gehen davon aus, dass der Bote am Blombachtal in ein
bereitstehendes Auto umstieg und unerkannt flüchten konnte. Auch eine
eingeleitete Ringfahndung verlief ergebnislos.«
    Heike schüttelte
stumm den Kopf und starrte noch immer aus dem Fenster. Das kalte
Glas kühlte ihre erhitzte Stirn. Sie beugte sich weit vor und
konnte rechter Hand die kühne Stahlglaskonstruktion der
Haltestelle Alter Markt erkennen. In diesem Moment verließ
eine Bahn die Station. Der orangeblaue Lindwurm nahm rasch Fahrt
auf und rollte am Gebäudekomplex des ehemaligen Kaufhofs
vorüber. Plötzlich blitzte es im Untergeschoss des
Parkhauses einmal kurz auf, dann erschütterte ein harter Ruck
die Bahn, und eine Scheibe barst. Heike glaubte, den Knall bis ins
Chefbüro der Wupperwelle vernehmen zu können. Der Zug
rollte aus und blieb schließlich mitten auf der Strecke
stehen. Was war da passiert?
    »Oh nein«,
rief Heike und stieß sich vom Fenster ab. Sie war aschfahl,
als sie erst ihren Chef, dann Stefan anblickte. Aufgeregt deutete
sie zum Fenster. »Da ist etwas geschehen - hinten, an der
Schwebebahn!«
    *
    Roland Schwarzbach
drückte den Knopf, der die Türen verriegelte. Als er das
Strecke frei-Signal erhalten hatte, drückte er den Fahrhebel
sanft nach vorn. Das Surren der vier Laufwerke auf dem Dach der
Schwebebahn drang bis zu ihm in den Fahrerstand. Das war ein
vertrautes Geräusch, es war das Geräusch seiner
Schwebebahn. Schwarzbach war zweiundvierzig Jahre alt und hatte bis
zum vergangenen Jahr hinter dem Steuer eines Linienbusses sein
täglich Brot verdient. Schon lange hatte er sich um eine
Stelle als Schwebebahnfahrer beworben, und endlich hatte man sein
Flehen in der Personalabteilung der Stadtwerke erhört. Jetzt
war er einer der knapp achtzig Schwebebahnfahrer, die die Welt
aus rund acht
Metern Höhe betrachteten. Sicher, es gab anspruchsvollere
Jobs, als acht Stunden am Tag am Gerüst zwischen Vohwinkel und
Oberbarmen zu pendeln, aber Schwarzbach war geborener Wuppertaler
und stolz auf das Wahrzeichen der Stadt. Daheim wartete Gitte,
seine Gattin und Chrissy, seine siebenjährige Tochter. Er
hatte ein gesichertes Einkommen, sein Beruf machte ihm Spaß -
was wollte er mehr? Nie würde er den Tag vergessen, als er
seine Fähigkeiten als Schwebebahnfahrer unter Beweis gestellt
hatte und von einem Stellvertreter des Betriebsleiters die
Fahrberechtigung für die Schwebebahn, so der offizielle Name
des speziellen Führerscheins, erhalten hatte.
    Der Ausbau des rund
hundert Jahre alten Gerüsts war vorangeschritten. Allerdings
häuften sich die Zwischenfälle in den vergangenen Tagen,
- was aber nichts mit dem Ausbau zu tun hatte, so viel stand fest!
Seither waren dem dunkelblonden Fahrer die streng dreinblickenden
Männer aufgefallen, die sich in den Wagenhallen umgesehen
hatten. Jeder Zug wurde peinlichst genau inspiziert, bevor er auf
Strecke durfte. Was hatte das nur zu bedeuten? Auch die
Fahrdienstleitung hatte angeblich keine Ahnung, warum die
übertrieben strengen Sicherheitskontrollen durchgezogen
wurden. Irgendjemand von den Kollegen hatte mal einen der
Anzugträger als Staatsanwalt Pesche erkannt. Wenn die
Staatsanwaltschaft ermittelte, folgte oft ein dicker Brocken.
Erwartete man wieder einen Zwischenfall?
    Er wusste es
nicht.
    Jetzt war seine Bahn
brechend voll, zahlreiche Schulkinder befanden sich in der
Schwebebahn und hatten nichts Besseres zu tun, als die älteren
Fahrgäste zu nerven. War er als Kind auch so furchtbar
gewesen?
    Nein, sicher
nicht.
    Langsam rollte der
Lindwurm aus dem Alten Markt, passierte den ersten der beiden
achtunddreißig Meter hohen H-Pylonen, die die
Stahlseilkonstruktion über der großen Kreuzung spannten.
Eine innere Befriedigung erfüllte ihn, als er die verstopften
Straßen unter dem Gerüst sah. Damit hatte er nichts zu
tun.
    Jetzt befand er sich
zwischen den Stützen Nummer 400 und Nummer 394, in Richtung
Elberfeld. Soeben passierte die Bahn die Betonfassade des Kaufhofs,
ein quaderförmiger Betonbau aus den sechziger Jahren mit dem
Charme einer gestürmten NVA-Kaserne. Das Parkhaus schloss sich
dem eigentlichen Kaufhaus an und spannte sich
brückenförmig über dem Steinweg, der hier in den
Alten Markt mündete.
    Ein kurzes Aufleuchten
riss Schwarzbach aus seiner Lethargie, sein Kopf ruckte nach
rechts. Was hatte er dort gesehen?
    Ein huschender
Schatten, ein kurzes, metallisches Blitzen. Vermutlich ein
Lichtreflex, hervorgerufen von einem der im Parkhaus abgestellten
Autos.

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