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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass du bald heiraten willst.«
    Ihr Bruder errötete heftig. »Nein. Ich bin nicht verlobt. Ich habe noch keine Pläne. Nur … Hoffnungen.«
    Er lächelte Miss Harrington fast schüchtern an. »Ich hatte bis jetzt noch nicht das große Glück, die vollkommene Frau zu treffen, so wie Edward.«
    Miss Harringtons zartes Gesicht färbte sich rosa. Edward fühlte sich unbehaglich.
    Felix klopfte Edward auf die Schulter und fügte kühn hinzu: »Aber Edward wird nicht der einzige Bradley sein, der vorteilhaft heiratet, das schwöre ich bei meiner Seele!«

     
    Olivia schlich sich davon, um den Beutel Weizen vor Croomes Tür zu legen. Als sie sich zum Gehen wandte, sah sie ihn tief gebeugt am anderen Ende der Lichtung, wo er einen Eibenkranz auf den Boden legte. Sie fragte sich, was er da wohl machte, doch da sie sein Temperament kannte, beschloss sie, ihn nicht zu stören.
    Als sie ins Kinderzimmer zurückkehrte, traf sie dort überraschend auf Lord Bradley, der neben Alexander und seinen neuen Klötzen auf dem Sofa saß.
    Er schaute auf, als sie den Raum betrat. »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie nicht nur nähen, sondern auch schnitzen können, Miss Keene. Sie haben unzählige Talente.«
    Sie zog die Stirn kraus, und nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sonst niemand im Kinderzimmer war, flüsterte sie: »Ich fürchte, Sie überschätzen mich, Mylord. Ich habe nichts geschnitzt. Ich dachte, das hätten Sie gemacht.«
    »Ich habe einfache Zahlen und Buchstaben in die Klötze geschnitzt. Und jetzt sind auch noch Tiere darauf. Auf diesem Klotz H ist ein ziemlich detaillierter Hund abgebildet.« Er nahm wahllos einen anderen Holzklotz vom Stapel. »Und auf dem mit V sieht man eine Art Vogel.« Er streckte ihr den Klotz hin. »Was erkennen Sie darin?«
    Olivia trat näher, nahm das Holzstück aus seiner ausgestreckten Hand und betrachtete die kunstfertige Schnitzerei. Für sie sah der Vogel sehr nach einem Rebhuhn aus.
    Der Gedanke an Tiere rief ihr den alten Wildhüter ins Gedächtnis. »Meinen Sie vielleicht, Mr Croome …«
    »Das würde mich außerordentlich überraschen.«
    Olivia nickte. Sie empfand das Gleiche.
    Lord Bradley stand auf und räusperte sich. »Nun gut, vielen Dank noch einmal für Ihre Unterstützung.« Er zog eine gefaltete Banknote hervor und hielt sie ihr hin. »Hier ist eine Kleinigkeit für Ihre Mühe.«
    Sie hätte dankbar sein sollen, doch stattdessen fühlte sie sich merkwürdig ernüchtert darüber, dass ihr Geld für etwas angeboten wurde, was ein Ausdruck von Freundschaft gewesen war. Es war eine Erinnerung daran, in welchem Verhältnis sie zueinander standen – sie war nichts weiter als eine von vielen Bediensteten in seinem Haushalt.
    »Nein, danke«, antwortete sie und wandte sich ab.
    Am Nachmittag half Olivia den Kindern, Weihnachtsschachteln für die Diener zu füllen, die sie am morgigen Stephanstag verteilen würden. Dann brachte sie Audrey und Andrew in den Speisesaal, wo sich die Familie schon um vier Uhr zum Weihnachtsessen versammelte.
    Nach dem Mahl wurde die Dienerschaft hereingebeten und eingeladen, sich zur Feier von Weihnachten zuzuprosten. Wie seltsam es war, zusammen mit Mrs Moore, Doris, Johnny und den anderen als geladene Gäste im Speisesaal zu stehen. Croome war nicht unter ihnen. Es schien ihn auch niemand zu vermissen.
    Audrey und Andrew sangen noch einmal Weihnachtslieder, diesmal ohne Begleitung. Während des Gesangs spürte Olivia Johnnys Augen auf sich, aber sie schaute nicht in seine Richtung. Sie warf Doris einen Blick zu, die ihr zublinzelte. Olivia bemerkte, dass Martha den Kindern mit Tränen in den Augen lauschte.
    Als sie fertig waren, griffen die Diener in ihre Jackentaschen und die Dienerinnen in ihre Schürzentaschen und die Kinder sammelten die angebotenen Münzen ein. Mrs Moore, der Olivias Verwirrung vermutlich aufgefallen war, beugte sich zu ihr und erklärte flüsternd, dass dieses Geld später den Armen gegeben würde. Olivia wünschte, sie hätte das gewusst. Sie hätte eine ihrer letzten Münzen, die immer noch in der kleinen Börse steckten, mit heruntergebracht. Olivia hoffte, dass ihrer Mutter das Geld nicht fehlte. Fehlte sie ihrer Mutter?
    Dies war das erste Weihnachtsfest, das sie getrennt voneinander verbracht hatten, aber Olivia fürchtete, dass dies nur der Anfang vieler einsamer Weihnachtsfeste wäre.
    Wo war ihre Mutter?
    Olivia hob das Glas zum Mund. Sie hatte für Wein nichts übrig, aber

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