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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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jedem Textverarbeitungsprogramm in ganz Amerika gehört.»
    «Ja», sagte Nick, «und weil’s ein Fax ist, gibt es auch keine der Spuren, die wir normalerweise unter die Lupe nehmen. Zum Beispiel Tinte, Papier oder der verwendete Drucker. Und weil der Mörder das Blatt Papier ja gar nicht berührt hat, können wir es auch nicht auf Fingerabdrücke hin untersuchen. Die Faxmaschine ist gewissermaßen wie ein Paar Handschuhe. Sie hinterlässt keine Spuren.»
    Sie hatten die Main Street erreicht, wo die meisten Geschäfte inzwischen geschlossen waren. Nur eines hatte noch auf. Ein quadratischer Lichtfleck fiel ins Dunkel, und Geräusche drangen auf die ansonsten stille Straße.
    Als sie den Coffee-Shop betraten und auf den Tresen zusteuerten, richteten sich alle Augen auf sie, die Stimmen verstummten. Kat bestellte zwei große Becher Kaffee, während sich Nick umschaute und die Stimmung unter den Gästen einzuschätzen versuchte. Er kam zu dem Schluss, dass sie überrascht waren, neugierig und verunsichert.
    «Hallo, alle zusammen», sagte Nick in die Runde.
    Niemand reagierte.
    Kat ging mit zwei gefüllten Pappbechern an Nick vorbei nach draußen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
    «Ich muss mich wohl für Perry Hollow entschuldigen», sagte sie, als sie wieder auf der Straße waren. «Normalerweise sind die Leute hier freundlicher.»
    «Was ist los mit ihnen?»
    «Sie haben Angst. Sie wissen inzwischen, wer Sie sind und was Sie hierhergeführt hat.»
    «Aber ich versuche doch nur zu helfen.»
    «Auch das wissen sie», erwiderte Kat. «Trotzdem haben sie Angst.»
    Sie gelangten auf einen Platz, der von verschnörkelten Laternen beleuchtet wurde. In der Mitte stand ein kleiner weißgestrichener Pavillon mit Holzbänken. Nick ließ sich auf eine der Bänke fallen. Chief Campbell ging um den Pavillon herum. Sie wirkte aufgekratzt, vielleicht lag das am Koffein, aber Nick bezweifelte es.
    «Keine Hinweise», sagte sie. «Kein Motiv, keine Verdächtigen. Ich habe zwar noch nie in einem Mordfall ermittelt, aber müssten wir nicht inzwischen etwas mehr haben?»
    Sie hatte recht. In den meisten Mordfällen war schon bald klar, wer es gewesen war. Es gab entweder klare Indizien – einen Schuhabdruck, Haare oder Blutspuren – oder aber einen dringend Tatverdächtigen, etwa einen übergriffigen Liebhaber, einen verbitterten Ex-Gatten oder alten Feind. Aber im Fall Winnick gab es bislang nichts dergleichen, und das war frustrierend.
    «Rudy wird sich alle Spuren im Labor vornehmen», sagte Nick. «Wenn jemand etwas findet, dann er. Cassie arbeitet an einem Täterprofil. Und Vasquez klappert wahrscheinlich schon die Berufsschulen ab.»
    «Ich wollte nicht undankbar erscheinen», sagte Kat und sank schließlich auch auf eine der Bänke. «Ich bin für Ihre Hilfe dankbar. Sie ahnen nicht, wie sehr. In Perry Hollow hat es noch nie einen Mord gegeben, und wir können’s alle noch nicht fassen.»
    Jede Stadt, egal, ob groß oder klein, reich oder arm, hatte ihre dunkle Seite, und für Nick stand fest, dass diese Seite irgendwann zum Vorschein kam.
    In Holcomb, einer Kleinstadt in Kansas, hatte sie sich gezeigt, als zwei Dreckskerle über ein Bauernhaus hergefallen waren und alle Personen, die sich dort aufhielten, töteten, nachzulesen in Truman Capotes literarischem Bericht
Kaltblütig
. In Westfield, New Jersey, war dieser Tag gekommen, als John List seine Mutter, seine Frau und seine drei Kinder ermordete. Und in Newton, Ohio, war es so weit, als seine eigene Schwester –
    Nick zwang sich, den Gedanken auszublenden. Er hatte jahrelange Übung im Verdrängen und inzwischen eine Art Kunst daraus gemacht.
    Sobald ihm Sarah in den Sinn kam, dachte er an etwas anderes. An einen Song der Beatles, «Eleanor Rigby» vielleicht, Hauptsache, nicht an das, was seiner Schwester und damit der ganzen Familie angetan worden war.
    Jetzt richtete er seine volle Aufmerksamkeit auf Kat Campbell, die für ihn ganz Perry Hollow repräsentierte. Es war klar, dass weder sie noch die Stadt von deren dunkler Seite gewusst hatten. Aber jetzt waren sie gezwungen, sie zu bemerken.
    «Dass so etwas hier passiert, hätte ich nicht für möglich gehalten», sagte sie. «Ich begreife einfach nicht, wie jemand so grausam sein kann.»
    «Vielleicht wird Cassies Profil darüber Aufschluss geben», entgegnete Nick. «Wahrscheinlich ist der Täter selbst traumatisiert, vielleicht aufgrund von Erfahrungen, die mit Tod oder Bestattungen zu tun

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