Das Schweigen der Tukane
verurteilen, aber mir wird speiübel, wenn ich daran denke, dass ich für Geld mit jemandem ins Bett steigen muss. Bei einer Million sind das tausend Männer! Echt krass. Da wäre ich lieber arm.»
«Du kannst ja mit Nora darüber diskutieren, wenn wir sie finden.»
7. Kapitel
Allmählich bahnten sich die Sonnenstrahlen einen Weg durch die düsteren Wolken. Nadine schloss sich unter Protest Ferrari an, der zu Fuss Remo Kuster aufsuchen wollte. Ein kleiner Spaziergang tut gut, das lüftet das Gehirn aus. Beim Steinengraben blieb der Kommissär einen Augenblick stehen und starrte in eine Baugrube. Bis vor Kurzem stand da ein ehemaliges Hotel, das bis zum zweiten Stock zugemauert worden war.
«Jetzt ist der alte Kasten endlich weg», bemerkte Nadine.
Zum zweiten Mal innert einem Tag musste Ferrari an den Fall Weller denken. Damals war eine Gruppe von jungen Menschen involviert gewesen, die ein Haus in der Delsbergerallee besetzt hatte. Hier war man dieser Versuchung zuvorgekommen. Sie gingen an der Nationale Suisse vorbei zum Spalenberg und bogen in den Nadelberg. Remo Kuster erwartete sie bereits.
«Einen Kaffee oder lieber Mineralwasser?»
«Kaffee für mich.»
«Für mich Mineral.»
Einige Minuten später kam der Anwalt mit einem Tablett zurück.
«Hier kocht sozusagen der Chef höchstpersönlich. Frau Steiner ist in den Ferien. Ich halte die Stellung. Jetzt erst recht …», fügte er leise hinzu. «Bitte, ein Kaffee für Herrn Ferrari, ein Mineralwasser für Frau Kupfer. Eine tragische Angelegenheit …»
Ferrari rührte in seiner Tasse.
«Vielen Dank. Ja, äusserst tragisch. Um mit der Tür ins Haus zu fallen, weshalb brachten Sie den Leichnam ins Büro?»
«Eine Impulshandlung! Ich könnte mich ohrfeigen, wenn ich nur daran denke. Hanspeter Sonderegger rief mich an, er war sehr aufgebracht. Ich konnte zuerst kaum verstehen, was er sagte, und noch weniger konnte ich es dann glauben. Als ich endlich begriff, dass Peter bei einem Schäferstündchen ermordet worden war, wurde mir schlagartig die Tragweite dieses Unglücks bewusst. Da war der einzige Gedanke, ihn von diesem … diesem Ort wegzuholen und hierherzubringen. Ich wollte einen Skandal vermeiden.»
«Das war eine strafbare Handlung, wie Sie natürlich wissen. Zudem wurden durch Ihr Handeln Spuren beseitigt, was die Ermittlungen erschwert.»
«Im Nachhinein ist mir das alles klar. Eine stumpfsinnige, eine vollkommen idiotische Tat.»
«Wer ausser Ihnen und Hanspeter Sonderegger war noch dabei?»
«Kurt Rutschmann und Beat Rupf, beides Freunde von Sonderegger. Es ging uns letztlich nur darum, den guten Ruf von Peter zu wahren.»
«Das ist Ihnen auch gelungen. In den Zeitungen ist heute nur vom Mord in der Kanzlei die Rede.»
«Danke für die Blumen, Frau Kupfer, aber irgendwann kommt die Wahrheit heraus. Dann sehen Sonderegger und ich alt aus. Verdammt alt.»
«Wussten Sie, dass Herr Grauwiler bei Nora Schüpfer verkehrt?»
«Nein! Wir standen uns nicht so nah. Unsere Beziehung beschränkte sich hauptsächlich auf das Geschäftliche. Wir sprachen nur selten über private Dinge. Ich weiss allerdings, dass die Ehe von Emma und Peter nicht besonders gut lief. Das beschäftigte ihn sehr. Wir unterhielten uns mehrmals darüber. Wenn Sie mehr über sein Privatleben wissen möchten, müssen Sie Hanspeter Sonderegger fragen. Der war so etwas wie sein Busenfreund.»
«Gehört die Kanzlei je hälftig Ihnen und Grauwiler?»
«Ja. Das heisst, jetzt gehört die andere Hälfte Emma.»
«Ist das gerecht? Sie leisten schliesslich den Hauptteil der Arbeit.»
«Nicht ganz, Herr Kommissär», Kuster schmunzelte. «Es ist zwar korrekt, dass sich Peter aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen hat, etwas anderes liess seine politische Karriere einfach nicht zu, aber seine Beziehungen waren und sind Gold wert. Unsere Kanzlei verfügt über lukrative Mandate verschiedener Kunden, an die Peter locker herangekommen ist. Sein Beziehungsnetz war ausgezeichnet. Wenn mir die Arbeit zu viel wird, engagiere ich Kollegen im Auftragsverhältnis. Das meiste bewältige ich jedoch selbst. Unsere Stärke liegt im Patentrecht. Wir vertreten einige europäische Firmen, aber vor allem asiatische und südamerikanische hier in der Schweiz. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn jemand plötzlich mit einem bereits bestehenden Markennamen oder einem zum Verwechseln ähnlichen auf den Markt kommt, zum Beispiel mit Coca-Cola, mahnen wir ihn zuerst ab und in einem zweiten Schritt
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