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Das Schweigen der Tukane

Das Schweigen der Tukane

Titel: Das Schweigen der Tukane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gold
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Staatsanwalt Borer stand kreidebleich vor der Tür. «Entschuldigen Sie, Ferrari … ich kann mich nicht erholen …»
    Am Strassenrand standen zwei Streifenwagen mit Blaulicht.
    ««Wollen Sie reinkommen, Herr Staatsanwalt?»
    «Nein … es ist etwas Schreckliches passiert! Arthur Koch … Passanten fanden ihn. Er ist tot!»

11. Kapitel
    Schweigend fuhren sie hinter den beiden Streifenwagen her. Der Supergau war eingetreten, ein Mord an einem Polizisten! Das hatte es in der gesamten Laufbahn des Kommissärs noch nie gegeben. Einfach unfassbar, Arthur Koch war tot! Vielleicht handelte es sich um einen tragischen Unfall oder hing Thuri doch tiefer in dem Fall mit drin, als sie bisher angenommen hatten? Nadine kaute auf ihrer Unterlippe. Man spürte förmlich, wie ihr Gehirn arbeitete. Was jetzt wohl in ihr vorging? Die Streifenwagen fuhren über die Schwarzwaldbrücke auf die Autobahn. Nach fünf Minuten bogen sie rechts ab in Richtung Langen Erlen und hielten beim Parkplatz, den die Polizei mit einem Grossaufgebot weiträumig abgesperrt hatte.
    «Hallo, Peter.»
    «Ciao, Francesco. Was für ein rabenschwarzer Tag. So etwas darf doch einfach nicht passieren! Alle sind total geschockt. Sei vorsichtig», flüsterte Peter Strub. «Wir sitzen auf einem Pulverfass. Meine Leute sind extrem aufgebracht … Hallo, Nadine.»
    Nadine ging wortlos an ihnen vorbei zum Toten. Er lag am Rand des Parkplatzes unter einer Blache. Borer folgte ihr. Als einer von Strubs Leuten mit Nadine reden wollte, brachte ihn der Staatsanwalt mit einer herrischen Bewegung zum Schweigen.
    «Kannst du mir schon etwas sagen, Peter?»
    «Nur so viel, er wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit von hinten erschlagen. Keine Schussverletzung, keine Messerstiche. Nach dem Schlag auf den Hinterkopf ist er vermutlich nach vorne auf diesen Stein gefallen. Was letztendlich Schuld an seinem Tod ist, wird die Obduktion zeigen.»
    «Kampfspuren?»
    «Keine. Er war wohl auf dem Weg zu seinem Auto.»
    Strub deutete auf einen parkierten Mazda. Ferrari nickte. Er bückte sich zur Leiche und hob die Plane. Arthur Koch lag auf dem Bauch. Was war bloss aus seinen Träumen geworden? Noch vor Kurzem wollte er seine grosse Liebe heiraten. Und jetzt? War das Schicksal oder gar Gottes Wille? Nein, daran konnte Ferrari beim besten Willen nicht glauben. Eine unbeschreibliche Traurigkeit stieg in ihm auf und eine unbändige Wut angesichts des Unfassbaren. Sekunden vergingen, ohne dass jemand ein Wort sprach. Die Stille tat gut.
    «Wieso Thuri, Francesco? Wieso Thuri?», stammelte Nadine nach einer Weile.
    «Komm, lass uns einige Schritte gehen.»
    Ferrari führte sie weg vom Tatort. Beim «Parkrestaurant Lange Erlen» setzten sie sich an einen Tisch auf der Terrasse.
    «Ich kann nicht mehr, Francesco! Das geht über meine Kräfte.»
    Der Kommissär nickte. Jetzt war es zu ihrer persönlichen Angelegenheit geworden. Bisher ging es um einen Fall, in dem jemand aus ihrem Bekanntenkreis gesucht wurde. Mehr nicht. Das hatte sich nun schlagartig geändert. Der beste Freund von Noldi lag tot auf dem Parkplatz vor dem Restaurant. Die anfängliche Betroffenheit wurde zur persönlichen Befangenheit. Eine schwierige Situation. In einiger Entfernung röhrte ein Hirsch. Dieser urtümlich anmutende Laut liess Ferrari für einen kurzen Augenblick in die Vergangenheit abtauchen. Hier, in den Langen Erlen, in diesem wunderbaren Naherholungsgebiet hatte er die meisten Wochenenden seiner Jugend verbracht. Der obligate Ausflug am Sonntag in den Tierpark, eine Kleinigkeit essen, dann ab auf den Spielplatz, währenddessen seine Eltern im Gartenrestaurant sassen, der Musikkapelle zuhörten, die im Sommer jeden Sonntag im Pavillon spielte, und Lose kauften. Zu gewinnen gab es meistens irgendwelche Blumentöpfe, aber einmal jauchzte sein Kinderherz himmelhoch, bescherte ihm doch das Losglück einen grünen Wellensittich! Nur leider war ihm ein kurzes Leben beschieden.
    «Bringst du mich bitte nach Hause, Francesco?», fragte Nadine und holte ihn in die Gegenwart zurück. Sie reichte ihm die Autoschlüssel. «Ich nehme einige Tage frei. Ich muss nachdenken. Es kann so nicht mehr weitergehen.»
    Wieder nickte der Kommissär. Er spielte mit den Autoschlüsseln in seiner Hand und schwieg. Die einzige angemessene Reaktion, wie ihm schien, denn in diesem Schweigen lag eine tiefe Dimension des Verstehens. Manchmal muss man sich die Zeit nehmen und der Heilung eine Chance geben. Ferrari trottete hinter Nadine her

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