Das Schweigen des Glücks
Vater starb, als er selbst noch klein war.«
Melissa nickte, die Lippen zusammengepresst.
»Was ist? «, fragte Denise verstört.
Melissa seufzte und wusste nicht recht, ob sie weitersprechen sollte.
»Bitte«, sagte Denise sanft, als Melissa seufzend den Blick abwandte.
»Taylors Vater ist bei einem Brand umgekommen«, sagte sie.
Bei den Worten hatte Denise das Gefühl, als würde sich eine kalte Hand auf ihren Rücken legen.
Taylor hatte das Gitter genommen und spritzte es mit dem Schlauch ab, und als er zurückkam, sah er, wie Mitch die Kühltasche öffnete und zwei frische Bier herausnahm. Taylor ging wortlos an ihm vorbei.
»Sie ist wirklich hübsch, Taylor.«
Taylor legte das Gitter über die Holzkohle auf den Grill.
»Ich weiß.«
»Ihr Junge ist auch süß. Netter kleiner Kerl.«
»Ich weiß.«
»Er sieht dir ähnlich.«
»Wie?«
»Wollte nur mal sehen, ob du mir zuhörst«, sagte Mitch grinsend. »Du sahst gerade ein bisschen verwirrt aus.« Mitch trat näher an ihn heran. »He, hör zu, es tut mir Leid, dass ich das vorhin gesagt habe. Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
»Hast du auch gar nicht«, log Taylor.
Mitch gab Taylor das Bier.
»Doch, das habe ich wohl. Aber einer muss dich ja auf dem rechten Weg halten.«
»Und du bist derjenige, der diese Aufgabe übernimmt?«
»Natürlich. Ich bin der Einzige, der das kann.«
»Nein, Mitch, wie bescheiden du bist«, sagte Taylor sarkastisch.
Mitch zog die Augenbrauen hoch. »Du meinst, ich mache Witze? Wie lange kennen wir uns jetzt? Dreißig Jahre? Ich glaube, das gibt mir das Recht, hin und wieder meine Meinung zu sagen, ohne Rücksicht darauf, was du davon hältst. Und ich habe das ganz ernst gemeint. Nicht so sehr, dass du aufhören sollst – ich weiß, dass du das nicht tun wirst. Aber du solltest in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Guck mal hier.«
Mitch zeigte auf sein dünner werdendes Haar. »Ich hatte mal volles Haupthaar. Und ich hätte es immer noch, wenn du nicht so verdammt waghalsig wärst. Jedes Mal, wenn du was Verrücktes machst, merke ich regelrecht, wie meine Haare Selbstmord begehen, indem sie mir vom Kopf springen. Wenn du genau hinhörst, kannst du sie manchmal schreien hören, wenn sie fallen. Weißt du, was es heißt, eine Glatze zu bekommen? Sich den Schädel mit Sonnencreme einreiben zu müssen? Leberflecken zu kriegen, wo früher der Scheitel war? Es hebt nicht gerade das Selbstbewusstsein. Du stehst also in meiner Schuld.«
Taylor lachte gegen seinen Willen. »Sieh an, und ich dachte, das wäre eine Erbanlage.«
»Oh nein. Du bist schuld, mein Freund.«
»Das geht mir nahe.«
»Das sollte es auch. Schließlich habe ich keine Lust, meine Haare wegen irgendeines Dahergelaufenen zu verlieren.«
»Also gut«, seufzte Taylor. »Ich versuche in Zukunft vorsichtiger zu sein.«
»Gut, denn über kurz oder lang werde ich nicht mehr dabei sein, um dich aus der Klemme zu holen.«
»Wie sieht's aus mit der Holzkohle?«, rief Melissa. Mitch und Taylor standen beim Grill, die Kinder waren schon beim Essen. Mitch hatte zuerst die Hot Dogs gegrillt und die fünf Jungen saßen am Tisch. Denise hatte Essen für Kyle mitgebracht und stellte den Teller mit Makkaroni in Käsesoße, Ritz-Crackern und Weintrauben vor ihn auf den Tisch. Nach zwei Stunden im Wasser hatte er einen Mordshunger.
»Noch zehn Minuten«, rief Mitch über seine Schulter. »Ich will auch Makkaroni«, jaulte Melissas Jüngster, als er sah, dass Kyle etwas anderes bekam.
»Iss deinen Hot Dog«, sagte Melissa.
»Aber, Mom… «
»Iss deinen Hot Dog«, wiederholte sie. »Wenn du dann noch Hunger hast, mache ich dir Makkaroni, okay?«
Sie wusste, dass er satt sein würde, aber der Kleine war es zufrieden.
Nachdem Melissa und Denise die Kinder versorgt hatten, nahmen sie die Stühle und setzten sich näher ans Schwimmbecken. Seit Denise gehört hatte, dass Taylors Vater bei einem Brand ums Leben gekommen war, versuchte sie, die restlichen Stücke in ihrem Kopf zusammenzusetzen. Melissa erspürte offenbar die Richtung ihrer Gedanken.
»Taylor?«, fragte sie und Denise lächelte verlegen, weil es so deutlich war.
»Ja.«
»Wie kommt ihr beide zurecht?«
»Ich dachte, ganz gut, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Weil er dir nicht von seinem Vater erzählt hat? Dann verrate ich dir jetzt ein Geheimnis: Taylor spricht mit niemandem darüber, mit keiner Menschenseele. Nicht mit mir, nicht mit seinen Kollegen. Auch mit Mitch hat er nie
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