Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen des Glücks

Das Schweigen des Glücks

Titel: Das Schweigen des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
Vom Netzwerk:
Vergleich zu der Masse der Berichte, die aus dem Osten des Staates eingingen.
    Denise und Kyle waren noch im Krankenhaus und hatten im selben Zimmer schlafen dürfen. Sie mussten beide über Nacht (oder was von der Nacht noch übrig war) bleiben, und obwohl Kyle am nächsten Nachmittag hätte entlassen werden können, wollten die Ärzte Denise noch einen Tag zur Beobachtung dabehalten.
    Die Krankenhausgeräusche machten es unmöglich, lange zu schlafen, und nachdem Denise und Kyle beide noch einmal untersucht worden waren, verbrachten sie den Vormittag damit, sich die Zeichentrickfilme im Fernsehen anzusehen. Sie saßen auf ihrem Bett, hatten sich Kissen in den Rücken gestopft und trugen die unbequemen Krankenhausnachthemden. Kyle sah sich »Scooby-Doo« an, seinen Lieblingstrickfilm. Auch für Denise war es in ihrer Kindheit ihre liebste Sendung gewesen. Jetzt brauchten sie nur noch eine Tüte Popcorn, aber schon bei dem Gedanken drehte sich Denise der Magen um. Obwohl das Schwindelgefühl weitgehend nachgelassen hatte, schmerzte helles Licht immer noch in ihren Augen und sie kämpfte ständig gegen Übelkeit.
    »Ea wenn«, sagte Kyle und zeigte auf den Bildschirm, wo sich Scoobys Beine im Kreis drehten.
    »Ja, er rennt weg, vor dem Gespenst. Kannst du das sagen?«
    »Ea wenn wek«, flüsterte er.
    Sie hatte den Arm um ihn gelegt und tippte ihm auf die Schulter. »Bist du gestern weggerannt?«
    Kyle nickte, seine Augen auf den Bildschirm geheftet. »Ja, bin wekewann.«
    Sie sah ihn zärtlich an. »Hast du Angst gehabt?«
    »Ja, hab Anst hab.«
    Obwohl sich sein Ton etwas verändert hatte, wusste Denise nicht, ob er über sich sprach oder über ScoobyDoo. Kyle waren die Unterschiede zwischen den Pronomen wie ich, du, er, sie, es und so weiter unklar und die Zeiten benutzte er auch nicht korrekt. Rennen, rannte, gerannt… es bedeutete alles dasselbe, zumindest soweit Denise sehen konnte. Auch das Konzept von Zeit (gestern, morgen, letzte Nacht) war ihm fremd.
    Sie hatte schon frühmorgens versucht, mit ihm über seine Erfahrung zu sprechen. Als sie damit anfing, war sie jedoch nicht sehr weit gekommen. Warum bist du wegelaufen? Was hast du gedacht? Was hast du gesehen? Wie haben sie dich gefunden? Kyle hatte keine ihrer Fragen beantwortet und sie hatte es auch nicht erwartet, aber sie wollte ihn trotzdem fragen. Vielleicht könnte er es ihr eines Tages erzählen. Vielleicht würde er sich eines Tages, wenn er sprechen gelernt hatte, erinnern und es ihr erklären können: »Ja, Mom, ich weiß noch… «
    Bis dahin würde es ein Geheimnis bleiben.
    Bis dahin.
    Der Zeitpunkt schien so weit entfernt wie eh und je.
    In dem Moment öffnete sich langsam die Tür.
    »Darf ich reinkommen?«
    Denise sah zur Tür hinüber, als Judy McAden ihren Kopf um die Ecke steckte. »Ich komme hoffentlich nicht ungelegen. Ich habe im Krankenhaus angerufen und man sagte mir, Sie seien beide wach. Stör ich?«
    Denise richtete sich auf und versuchte, sich das zerknautschte Krankenhausnachthemd glatt zu streichen. »Überhaupt nicht. Wir schauen fern. Kommen Sie herein.«
    »Ganz sicher?«
    »Bitte. Ich ertrage Zeichentrickfilme nur, wenn ich ab und zu eine Pause mache.«
    Mit der Fernbedienung stellte sie den Ton leiser.
    Judy kam ans Bett.
    »Ich wollte einfach nur vorbeikommen und Ihren Sohn kennen lernen. Er ist Gesprächsthema Nummer eins in der Stadt. Ich hatte heute Morgen um die zwanzig Anrufe.«
    Denise sah ihren Sohn stolz von der Seite her an. »Na, hier ist er, der kleine Rabauke. Kyle, sag hallo zu Miss Judy.«
    »Haoo, Miss Jui«, flüsterte er. Seine Augen waren immer noch auf den Bildschirm geheftet.
    Judy zog einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Sie tätschelte ihm das Bein.
    »Hallo, Kyle. Wie geht es dir? Ich habe gehört, dass du gestern Abend ein großes Abenteuer erlebt hast. Deine Mutter hat sich schreckliche Sorgen gemacht.«
    Nach einem Moment des Schweigens stieß Denise ihren Sohn an. »Kyle – sag: ›Mir geht's gut‹.«
    »Det dut.«
    Judy warf einen Blick auf Denise. »Er sieht aus wie Sie.«
    »Deswegen habe ich ihn gekauft«, sagte Denise rasch und Judy lachte. Judy wandte sich wieder an Kyle.
    »Deine Mom ist aber lustig, nicht?«
    Kyle antwortete nicht.
    »Kyle kann nicht besonders gut sprechen«, erklärte Denise leise. »Er ist spät dran mit der Sprachentwicklung.«
    Judy nickte, dann beugte sie sich weiter vor, als wollte sie Kyle ein Geheimnis sagen.
    »Oh, das macht doch nichts, oder,

Weitere Kostenlose Bücher