Das Schweigen des Glücks
Gähnen.
»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte er und versuchte, das plötzliche Gefühl der Müdigkeit abzuschütteln.
»Müde?«, fragte sie verständnisvoll.
»Ein wenig. Ich hatte einen ereignisreichen Abend.« Denise setzte sich zurecht.
»Ich bin froh, dass Sie vorbeigekommen sind. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für alles, was Sie gestern Abend getan haben. Sie können sich gar nicht vorstellen, was es mir bedeutet.«
Sergeant Huddle nickte, als kenne er diese Situation bereits.
»Keine Ursache. Es ist ja meine Aufgabe. Außerdem habe ich selbst eine kleine Tochter, und wenn sie es gewesen wäre, hätte ich mir gewünscht, dass alle Männer im Umkreis von fünfzig Meilen alles stehen und liegen lassen und nach ihr suchen würden. Nichts hätte mich gestern von der Suche abbringen können.«
Sein Ton überzeugte Denise von seiner Aufrichtigkeit.
»Sie haben also eine kleine Tochter?«, fragte Denise.
»Ja. Letzten Montag hatte sie Geburtstag. Sie ist fünf geworden. Ein gutes Alter.«
»Es ist immer ein gutes Alter, zumindest ist das meine Erfahrung. Wie heißt sie?«
»Campbell. Wie die Suppe. Es ist Kims Mädchenname – der meiner Frau.«
»Ist sie Ihr einziges Kind?«
»Bisher. Aber in ein paar Monaten nicht mehr.«
»Oh, herzlichen Glückwunsch! Junge oder Mädchen?«
»Wissen wir noch nicht. Wir lassen uns überraschen, wie bei Campbell.«
Sie nickte und schloss einen Moment lang die Augen. Sergeant Huddle schlug sich mit dem Ordner ans Bein und stand auf.
»Ich glaube, ich sollte gehen. Sie brauchen sicherlich Ruhe.«
Obwohl sie annahm, dass er sich selbst meinte, setzte Denise sich aufrecht hin. »Ehm… bevor Sie gehen – kann ich Sie was fragen über den Abend gestern? Bei der ganzen Unruhe gestern und auch heute Morgen habe ich noch nicht richtig herausgefunden, was eigentlich geschehen ist. Wenigstens nicht von einem Beteiligten.«
»Klar. Fragen Sie nur.«
»Wie konnten Sie ihn… ich meine, es war so dunkel und bei dem Gewitter… «
Sie brach ab, suchte nach den richtigen Worten.
»Sie meinen, wie wir ihn finden konnten?«, half Sergeant Huddle ihr auf die Sprünge.
Sie nickte.
Er warf einen Blick auf Kyle, der immer noch in einer Ecke mit seinem Flugzeug spielte.
»Nun, am liebsten wäre es mir, ich könnte sagen, es war Können und Training, aber das stimmt nicht. Wir hatten Glück. Großes Glück. Es hätte Tage dauern können – das Sumpfland ist so undurchdringlich. Eine Zeit lang hatten wir keine Ahnung, in welche Richtung er gegangen sein könnte, aber Taylor kam auf die Idee, dass Kyle mit dem Wind gehen würde und die Blitze hinter sich haben wollte. Und er hatte Recht.«
Er nickte zu Kyle hinüber und hatte den Blick eines Vaters, dessen Sohn den Ball für den siegbringenden Home-Run geschlagen hat, und fuhr fort: »Sie haben da einen zähen Burschen, Miss Holton. Dass er das so gut überstanden hat, hat mehr mit ihm zu tun als mit einem von uns. Die meisten Kinder – eigentlich alle Kinder, die ich kenne wären völlig verschreckt gewesen, aber Ihr Kleiner war es nicht. Es ist erstaunlich.«
Denise runzelte die Stirn und dachte über das nach, was er gerade gesagt hatte.
»Einen Moment – war das Taylor McAden?«
»Ja, der Sie auch gefunden hat.«
Er kratzte sich an der Wange. »Um ehrlich zu sein, er war derjenige, der Sie beide gefunden hat, wenn Sie es genau wissen wollen. Er hat Kyle in einem Ansitz gefunden und Kyle hat ihn nicht wieder losgelassen, bis wir im Krankenhaus waren. Hat sich an ihn gekrallt wie eine Klette.«
»Taylor McAden hat Kyle gefunden? Aber ich dachte, Sie seien es gewesen.«
Sergeant Huddle nahm seinen Trooper-Hut vom Bett.
»Nein, ich war es nicht, aber ich versichere Ihnen, das lag nicht an fehlendem Bemühen meinerseits. Irgendwie hatte Taylor den ganzen Abend einen siebten Sinn; fragen Sie mich nicht, wieso.«
Sergeant Huddle versank in Gedanken. Aus ihrer Position konnte sie die Ringe unter seinen Augen sehen. Er wirkte abgespannt, als würde er sich am liebsten sofort ins Bett legen.
»Aber… ich danke Ihnen trotzdem. Ohne Sie wäre Kyle jetzt wahrscheinlich nicht hier.«
»Keine Ursache. Ich liebe ein glückliches Ende und bin froh, dass wir eins hatten.«
Sergeant Huddle verabschiedete sich und ging. Als sich die Tür hinter ihm schloss, sah Denise zur Decke hinauf, ohne sie richtig zu sehen.
Taylor McAden? Judy McAden?
Sie mochte nicht an einen Zufall glauben, aber alles, was in der vergangenen Nacht
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