Das Schweigen des Glücks
drehte sie das »Geöffnet«-Schild herum. Eights war jetzt geschlossen.
»In der Küche ist so weit alles erledigt«, sagte sie. »Ich muss noch ein paar Sachen wegräumen, dann kann ich gehen. Warte doch auf mich, ja? Wir können bei mir sprechen.«
Taylor trug Kyle, der den Kopf auf seine Schulter gelegt hatte, zum Wagen. Sobald Kyle auf dem Sitz lag, schmiegte er sich, ohne aufzuwachen, an Denise.
Als sie ankamen, machten sie das Ganze in umgekehrter Reihenfolge: Denise hob Kyle sanft von ihrem Schoß und Taylor trug ihn ins Haus und in sein Schlafzimmer. Er legte Kyle ins Bett und Denise deckte ihn zu. Auf dem Weg zur Tür drückte sie auf den Knopf des LeuchtTeddybärs und hörte, wie die Musik anfing. Sie ließ die Tür angelehnt, dann gingen sie beide auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.
Im Wohnzimmer machte Denise eine der Lampen an und Taylor setzte sich aufs Sofa. Nach kurzem Zögern setzte Denise sich auf einen Sessel übereck vom Sofa. Sie hatten beide nicht gesprochen während der Fahrt, weil sie Kyle nicht wecken wollten, aber nachdem sie sich gesetzt hatten, kam Denise sofort zum Thema.
»Was ist passiert?«, fragte sie. »Heute Abend auf der Brücke?«
Taylor erzählte ihr alles: von der Rettung, was Mitch und Joe gesagt hatten, von den Bildern, die ihn hinterher gequält hatten. Denise saß still und hörte zu, während er sprach, ihr Blick wich nicht von seinem Gesicht. Als er fertig war, beugte sie sich vor.
»Du hast ihn gerettet?«
»Ich nicht. Wir alle haben ihn gerettet«, sagte Taylor und rückte unwillkürlich die Sichtweise zurecht.
»Aber wie viele von euch waren auf der Leiter? Wie viele mussten die Leiter loslassen, weil sie nicht halten konnte?«
Taylor antwortete nicht und Denise stand auf und setzte sich neben ihn aufs Sofa.
»Du bist ein Held«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. »So wie damals, als Kyle verschwunden war.«
»Nein, das stimmt nicht«, sagte er, während die Bilder aus der Vergangenheit gegen seinen Willen in ihm aufstiegen.
»Und ob du das bist.«
Sie nahm seine Hand. In den nächsten zwanzig Minuten sprachen sie über dies und jenes, Belanglosigkeiten. Schließlich fragte Taylor nach den Männern, die sie nach Hause bringen wollten. Sie lachte und verdrehte die Augen und erklärte, es gehöre zu ihrer Arbeit. »Je freundlicher ich bin, desto mehr Trinkgeld bekomme ich. Aber es gibt immer Männer, die das falsch verstehen.«
Das sanfte Plätschern der Unterhaltung war beruhigend. Denise gab sich Mühe, Taylors Gedanken von dem Unfall abzulenken. Wenn sie als Kind Albträume hatte, hatte ihre Mutter das auch gemacht. Indem sie über etwas anderes gleichgültig, was es war – sprach, konnte sie sich schließlich entspannen.
Bei Taylor schien das auch zu wirken. Nach einer Weile sprach er weniger, seine Antworten kamen langsamer. Seine Augen fielen ihm zu, gingen wieder auf und fielen zu. Sein Atem wurde regelmäßig, die Anstrengungen des Tages forderten ihren Tribut. Denise hielt seine Hand und blieb bei ihm, bis er schließlich eingeschlafen war. Dann stand sie auf und holte eine Decke aus ihrem Schlafzimmer. Als sie ihn sanft anfasste, streckte Taylor sich aus und sie legte die Decke über ihn.
Er wurde noch einmal halbwegs wach und murmelte, es wäre an der Zeit zu gehen, aber Denise flüsterte, dass er einfach da bleiben solle, wo er war. »Schlaf ein«, sagte sie leise und schaltete das Licht aus.
Denise ging in ihr Schlafzimmer, zog sich die Arbeitskleidung aus und den Schlafanzug an. Sie löste das Haar, putzte sich die Zähne und wusch sich die Fettspuren vom Gesicht. Dann stieg sie ins Bett und schloss die Augen.
Dass Taylor McAden nebenan lag und schlief, war der letzte Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, bevor auch sie einschlief.
»Haoo, Taya«, sagte Kyle glücklich.
Taylor machte die Augen auf und blinzelte in das frühe Morgenlicht, das durch die Wohnzimmerfenster strömte. Er rieb sich mit den Handrücken den Schlaf aus den Augen und erblickte Kyle, der vor ihm stand, das Gesicht ganz nah bei seinem, die Haare zerzaust und wirr vom Kopf abstehend.
Taylor brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo er war. Als Kyle strahlend den Kopf zurücknahm, setzte Taylor sich auf. Er warf einen Blick auf die Uhr, es war kurz nach sechs Uhr morgens. Im Haus war es still.
»Guten Morgen, Kyle. Wie geht es dir?«
»Ea ssläf.«
»Wo ist deine Mom?«
»Ea aum Sofa.«
Taylor richtete sich auf; er fühlte sich steif, seine Schulter tat ihm
Weitere Kostenlose Bücher