Das Schweigen des Glücks
seltsamerweise schrak sie zurück und wollte sie nicht nehmen. Später, an ihrem Hochzeitstag, erklärte sie ihm den Grund dafür.
›Diese Blumen sind das lebendige Symbol unserer Liebe‹, sagte sie. ›Wenn sie sterben, dann wird auch unsere Liebe sterben.‹ Dies erschreckte Joe sehr – irgendwie wusste er tief in seinem Herzen, dass nie ein wahreres Wort gesprochen worden war. Deswegen fing er an, Joe-Bell-Blumen an dem Strand, an dem sie sich getroffen hatten, zu pflanzen und auszusäen – und schließlich auf den ganzen Outer Banks, als Zeichen dafür, wie sehr er seine Frau liebte. Und jedes Jahr, während die Blumen sich immer weiter ausbreiteten, liebten sie sich tiefer und inniger.«
Als Taylor die Geschichte erzählt hatte, bückte er sich und pflückte noch ein paar Blüten, die er Denise überreichte.
»Die Geschichte gefällt mir«, sagte sie.
»Mir auch.«
»Aber hast du nicht auch gerade gegen das Gesetz verstoßen?«
»Natürlich. Aber ich dachte, so haben wir beide etwas, das uns verbindet.«
»So was wie Vertrauen?«
»Das auch«, sagte er, kam ganz nah an sie heran und küsste sie auf die Wange.
Am Abend brachte Taylor Denise zur Arbeit. Kyle kam nicht mit, denn Taylor hatte angeboten, auf ihn aufzupassen.
»Wir machen es uns gemütlich. Wir spielen Ball, gucken uns einen Film an, essen Popcorn.«
Nach langem Zögern war Denise schließlich einverstanden gewesen und Taylor brachte sie kurz vor sieben ins Eights. Als der Truck wieder abfuhr, zwinkerte Taylor Kyle zu.
»Nun gut, kleiner Mann. Erst fahren wir zu mir. Wenn wir einen Film sehen wollen, müssen wir den Videorecorder holen.«
»Ea fäa«, sagte Kyle begeistert und Taylor lachte. Er hatte sich an Kyles Art der Kommunikation gewöhnt. »Danach müssen wir noch etwas erledigen, okay?«
Kyle nickte wieder und wirkte erleichtert, weil er nicht mit in den Diner musste. Taylor nahm sein Mobiltelefon und rief eine Nummer an, in der Hoffnung, dass der Mann am andere Ende nichts dagegen hatte, ihm einen Gefallen zu tun.
Um Mitternacht lud Taylor Kyle ins Auto und holte Denise ab. Kyle wachte kurz auf, als Denise einstieg, und rollte sich dann in ihrem Schoß zusammen, wie er es in letzter Zeit immer getan hatte. Eine Viertelstunde später waren alle im Bett: Kyle in seinem, Taylor und Denise in ihrem.
»Ich habe über das nachgedacht, was du heute Nachmittag gesagt hast«, sagte Denise und zog sich das ringelblumengelbe Arbeitskleid aus.
Taylor hatte Mühe, sich zu konzentrieren, als es auf den Boden fiel.
»Was hab ich denn gesagt?«
»Dass du traurig warst, weil es nie wieder ein erstes Mal geben wird.«
»Und?«
In Büstenhalter und Höschen kam sie zu ihm und schmiegte sich an ihn. »Na ja, ich habe gedacht, wenn wir es dieses Mal noch besser machen als letzte Nacht, kommt deine Vorfreude vielleicht zurück.«
Taylor spürte, wie sich ihr Körper an seinen presste. »Wie das?«
»Wenn jedes Mal besser ist als das letzte Mal, wirst du dich immer auf das nächste Mal freuen.«
Taylor legte seine Arme um ihren Rücken und spürte, wie er erregt wurde.
»Meinst du, das funktioniert?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte sie und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen, »aber ich habe große Lust, es herauszufinden.«
Bei Tagesanbruch schlüpfte Taylor wie am Tag zuvor aus dem Zimmer, ging aber nur ins Wohnzimmer und legte sich aufs Sofa – er wollte nicht, dass Kyle sie zusammen im Bett entdeckte – und fiel für die nächsten zwei Stunden in einen leichten Schlaf, bis Denise und Kyle aus ihren Schlafzimmern getaumelt kamen. Es war fast acht Uhr – Kyle war schon lange nicht mehr so spät aufgewacht.
Denise sah sich im Wohnzimmer um und verstand auf Anhieb den Grund. Angesichts des Bildes, das sich ihr bot, war ihr klar, dass Kyle lange aufgeblieben sein musste. Der Fernseher stand anders als sonst, auf dem Boden daneben war ein Videorecorder, dazwischen schlängelten sich Kabel. Zwei halb leere Becher standen auf dem Couchtisch, daneben drei Sprite-Dosen. Überall auf dem Boden und auf dem Sofa lagen Popcorn-Krümel herum, ein Süßigkeitenpapier war auf dem Sessel zwischen den Polstern eingeklemmt. Auf dem Fernseher lagen zwei Filmkassetten, »The Rescuers – Geschichte der Helden« und »Der König der Löwen«; die Schachteln waren offen, die Kassetten lagen obenauf.
Denise stemmte die Hände in die Hüften und ließ ihren Blick über die Unordnung gleiten.
»Als wir gestern nach Hause gekommen sind, habe ich gar
Weitere Kostenlose Bücher