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Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Titel: Das Schweigen des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Schönheit des Erfolgs! Der Erfolg der Sicherheit! Die Sicherheit der Tradition! Die Tradition der Leidenschaft!
    Kein Wunder, dass dir das bekannt vorkommt. Du hast ja auch nie und nirgends deine Ruhe davon: Worin auch immer du dich versenken willst, wohin auch immer du deine Augen, deine Ohren, deine Sinne richtest: Schon ist sie da, die Werbung, schiebt sich zwischen dich und deine Gedanken und fährt dir mit ihrem Hochglanzarsch ins Gesicht. Da müsstest du dir schon die Augen ausstechen und die Trommelfelle perforieren, um einmal deine Ruhe von diesem verlogenen, geistlosen Scheiß zu haben.
    Dass sich die Werbung schon lang nicht mehr auf eine, sagen wir, Rahmenfunktion des Lebens beschränkt, ist sowieso unüberseh- und unüberhörbar. Es reicht ihr nicht, den roten Teppich auszurollen, über den dann die Stars defilieren, esgenügt ihr nicht, den Vorhang hochzuziehen, hinter dem dann das eigentliche Theater stattfindet. Nein, sie will selbst ein Teil des Theaters sein, will selbst im Rampenlicht stehen wie einer dieser präpotenten Karaokesänger, die nichts sind und nichts können und sich trotzdem ständig auf die Bühne drängen.
    Du brauchst dir nur die heutigen Sportler anzuschauen: als wären sie wandelnde Litfaßsäulen. Jedes freie Stückchen Stoff wird da mit Logos und Slogans beklebt, je mehr Trikot, desto besser. So gesehen grenzt es an ein Wunder, dass es inzwischen auch der eine oder andere Schwimmer in den Reklamehimmel geschafft hat. Ich mach mir aber keine Sorgen um die übrigen, die werden schon nachziehen, indem sie sich Fastfood- und Autosignets auf den Rücken tätowieren lassen   …
    Sie kennt also keine Tabus, die Werbung, nichts, was ihr heilig ist, bis auf das eine: das Geld. Den Profit. Und wenn du jetzt sagst, dass wenigstens die Kunst bis jetzt von ihr verschont geblieben ist, dann widerspreche ich dir. Schau dir doch nur die so genannte Filmkunst an: Ein kleiner Hinweis, ein kurzer Spot im Vorspann?
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…? Schnee von gestern, sag ich nur. James Bond muss sich minutenlang den Hintern mit Duftiwisch reiben, in Cinemascope, dann erst ist der Markt zufrieden, und der Film ist finanziert. Nicht anders in der Musik: Ganze Stücke werden eigens für bestimmte Marken komponiert und dann zu Nummer-eins-Hits hochgepusht, Product-Placement nennen sie das, die feinen, kunstsinnigen Damen und Herren in den Marketingabteilungen der Großkonzerne.
    Und ganz genau da hat die Aktion vom Adler angesetzt.
    Wenn man einmal vom Andy Warhol mit seinen Suppenbildern absieht, dann ist zumindest die bildende Kunst eine Nische, in der noch nicht alles vom Dröhnen der Werbetrommelnwiderhallt. Die alten Meister haben ihre Pferde noch ohne Mercedesstern gemalt, da führt kein Weg daran vorbei, das muss sogar der skrupelloseste Sales-Manager akzeptieren   …
    Aber muss er das wirklich?
    Du weißt wahrscheinlich, dass die Akademie am Schillerplatz über eine bedeutende Gemäldegalerie verfügt, eine Sammlung von rund dreihundert Werken europäischer Künstler, die alle zwischen dem fünfzehnten und dem neunzehnten Jahrhundert gelebt haben. Tizian, Rubens, Rembrandt, Bosch, Guardi und noch eine ganze Reihe anderer Größen der Malerei. Ein millionenschwerer Blickfang also, täglich besucht, täglich betrachtet von Hunderten Menschen und trotzdem gänzlich unberührt vom schrillen Krakeelen der Marktschreier. Die sitzen draußen vor der Tür und blaffen und hecheln, dass ihnen der Geifer von den Lefzen trieft   …
    Der Adler hat sie von der Leine gelassen.
    Es war nicht schwer, einige Bögen offizielles Briefpapier der Direktion zu beschaffen, die Löwin hat das ohne Probleme erledigt. Und bald darauf haben die vier gemeinsam einen Text verfasst, der etwa so gelautet hat:
     
    Sehr geehrte Damen und Herren!
    Aufgrund der aktuellen bildungspolitischen Entwicklung und der speziellen pekuniären Lage der Akademie der Bildenden Künste sieht sich die Direktion gezwungen, neue, bislang unerforschte Wege zu beschreiten, um auch in Zukunft einen reibungslosen Ablauf des Lehrbetriebes sicherstellen zu können. Wir haben uns daher entschlossen, in höherem Maß als bisher den Schulterschluss mit der Wirtschaft zu suchen, um dem gesellschaftlichen Progress und seiner notwendigen Reflexion durch die künstlerische Realität in zeitgemäßer Weise Rechnung zu tragen.
    Konkret

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