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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Cinto?«
    »Die Schnapsidee, mich mit dieser Tusnelda zu verheiraten, kannst du dir aus dem Kopf schlagen«, sagte Fèlix und gab ihm wütend das Foto zurück.
    »Aber du müsstest nie einen Handstreich tun. Solche Unternehmen laufen von allein. Ich habe mich eingehend informiert. Und du kannst dich voll und ganz deiner Lektüre hingeben, verflucht, was willst du mehr?«
    »Und warum willst du mich unbedingt verheiraten?«
    »Weil unsere Eltern mich darum gebeten haben. Solltest du je die Soutane an den Nagel hängen …, nun ja, dann solltest du heiraten; ich soll dafür sorgen, dass du heiratest.«
    »Du bist selbst nicht verheiratet! Und da willst du mir …«
    »Aber ich werde heiraten. Ich habe schon eine im Auge …«
    »Als wäre es eine Kuh.«
    »Du kannst mich nicht beleidigen. Mama wusste schon, dass es nicht leicht sein würde, dich zu überzeugen.«
    »Ich heirate, wann es mir in den Kram passt. Wenn überhaupt.«
    »Ich kann dir eine hübschere suchen«, sagte Cinto und steckte das graue Foto der Puig-Tochter wieder ein.
    Mein Vater verlangte mit übermäßig harschen Worten die Auszahlung seines Pflichtteils, weil er sich in Barcelona niederlassen wollte. Daraufhin wurden sie laut, und die Kränkungen flogen hin und her wie Steine. Hasserfüllt starrten sich die Brüder an. Zu Handgreiflichkeiten kam es nicht. Fèlix Ardèvol bekam sein Erbteil, und beide hielten sich einige Jahre fern voneinander. Nur Tante Leos Beharrlichkeit war es zu verdanken, dass Vater sich bereit erklärte, zu Cintos und ihrer Hochzeit zu kommen. Doch danach entfremdeten sich die Brüder immer mehr. Der eine kaufte Land in der Gegend und widmete sich der Viehzucht und der Futterproduktion, der andere gab sein Erbe auf mysteriösen Reisen durch Europa aus.
    »Was meinst du mit mysteriösen Reisen?«
    Daniela trank den Rest ihrer Erdmandelmilch aus und antwortete nicht. Adrià ging an die Theke, zahlte, und als er zurückkam, schlug er ihr vor, ein Stück spazieren zu gehen, und Tori, der Wirt vom Racó, verschmierte den Tisch mit seinem Putzlappen, während er offensichtlich dachte, Donnerlittchen, diese Französin ist wirklich zum Anbeißen.
    Sie waren noch auf dem Platz, als Daniela sich ihm plötzlich in den Weg stellte und ihre Sonnenbrille aufsetzte, die ihr ein modisches und unverkennbar ausländisches Flair verlieh. Als wären sie sehr vertraut miteinander, trat sie dicht an ihn heran und öffnete seinen obersten Hemdknopf.
    »Scusa«, sagte sie.
    Und Tori, der Wirt vom Racó, dachte, wie in Dreiteufelsnamen kommt ein Grünschnabel wie der an eine solche Französin? Er schüttelte den Kopf über den wunderlichen Gang der Dinge, während Daniela sich die Kette mit dem Medaillon ansah.
    »Ich wusste gar nicht, dass du gläubig bist.«
    »Das hat mit Glauben nichts zu tun.«
    »Die Madonna von Pardàc ist eine Gottesmutter.«
    »Es ist ein Andenken.«
    »An wen?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    Daniela unterdrückte ein Lächeln, rieb das Medaillon zwischen den Fingern und ließ es wieder auf Adriàs Brust fallen. Rasch verbarg er es, verärgert über diese Missachtung seiner Intimität. Darum fügte er hinzu, und dich geht das gar nichts an.
    »Vielleicht doch.«
    Er verstand nicht, wie sie das meinte. Schweigend gingen sie weiter.
    »Das ist ein sehr hübsches Medaillon.«
    Jachiam nahm es vom Hals, hielt es dem Goldschmied hin und sagte, es ist aus Gold. Und die Kette auch.
    »Du hast es hoffentlich nicht gestohlen?«
    »Nein! Die kleine Bettina, mein blindes Schwesterchen, hat es mir geschenkt, damit ich mich niemals einsam fühle.«
    »Und warum willst du es verkaufen?«
    »Wundert Euch das?«
    »Nun ja …, ein Familienandenken …«
    »Meine Familie … Wie sehr vermisse ich meinen Vater, Mureda de Pardàc und all die anderen Muredas: Agno, Jenn, Max, Hermes, Josef, Theodor, Micurà, Ilse, Erica, Katharina, Matilde, Gretchen und die kleine blinde Bettina. Und ich vermisse auch die Landschaft von Pardàc.«
    »Warum gehst du nicht zurück?«
    »Weil es dort immer noch Leute gibt, die mir übel wollen, und meine Familie mich gewarnt hat, dass es zu unsicher für mich sei …«
    »Ach so …«, sagte der Goldschmied, ganz und gar nicht erpicht, die Probleme der Muredas aus Pardàc zu erfahren, und beugte den Kopf über das Medaillon.
    »Und ich habe meinem Vater viel Geld geschickt, damit er alle meine Geschwister unterstützen kann.«
    »Aha.«
    Er untersuchte das Medaillon noch eine Weile, dann gab er es seinem

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