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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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ein kostbares Musikinstrument in den Händen. Es war eine Bratsche von Nicola Galliano aus Neapel. Während er den Kauf abwägte, tat es ihm beinahe leid, nie ein solches Instrument spielen gelernt zu haben. Er hüllte sich in Schweigen, bis der Verkäufer – ein Geiger namens Davide Fiordaliso, der laut Fèlix’ Quellen wegen der neuen Rassengesetze die Wiener Philharmonie verlassen musste und seither in einem Café in Ferrara aufspielte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen – nervös wurde und ganz leise sagte, due milioni. Fèlix Ardèvol sah fragend zu Signor Sowieso hinüber, der die Bratsche eine Stunde lang unter die Lupe genommen hatte, unddieser gab ihm mit stummem Blick das Zeichen, das ja bedeutete. Fèlix Ardèvol wusste, dass er das Instrument nun mit angewiderter Miene seinem Eigentümer zurückgeben und eine absurd geringe Summe nennen musste. Was er zwar tat, doch es kostete ihn eine solche Überwindung, den Erwerb dieser Bratsche zu gefährden, dass er sich hinsetzen und seine Vorgehensweise neu überdenken musste. Zum einen brauchte er einen kühlen Kopf zum Kaufen und Verkaufen, und zum anderen galt es, den Laden zu bestücken, sofern er ihn jemals eröffnete. Er kaufte die Bratsche für duecentomila Lire und lehnte den Kaffee ab, den ihm der Musiker mit heftig zitternden Händen anbot, denn der Krieg lehrt dich, deinem Opfer nicht in die Augen zu sehen. Eine Galliano. Signor Sowieso sagte, auch wenn Instrumente nicht seine Stärke seien, behaupte er, Ardèvol könne das Dreifache herausholen, wenn er sich diskret umhöre und es mit dem Verkauf nicht eilig habe. Und wenn er wolle, werde er ihm einen Landsmann vorstellen, einen gewissen Signor Berenguer, ein junges Talent, das es als Gutachter zu außerordentlicher Präzision gebracht habe und, sobald der Krieg in Spanien zu Ende sei, irgendwann müsse er ja zu Ende sein, in seine Heimat zurückkehren wolle.
    Auf Anraten von Pater Morlin, der so etwas bereits hatte kommen sehen, mietete Ardèvol einen Lagerraum in einem Dorf nahe Zürich und brachte dort die Sofas, Canapés, Konsolen, Fragonards, Chippendale-Stühle und Watteaus unter. Und die Galliano-Bratsche. Er konnte nicht wissen, dass ihn ein Saiteninstrument von ähnlichem Aussehen eines Tages zugrunde richten sollte. Aber er wusste schon damals, dass der Laden auf der einen Seite und seine handverlesene Privatsammlung auf der anderen zwei verschiedene Dinge sein würden.
    Hin und wieder kehrte er nach Rom zurück, wohnte im Hotel Bramante, traf sich mit Morlin, sprach mit ihm über potentielle Kundschaft und über die Zukunftsaussichten, denn Morlin war der Meinung, der Krieg in Spanien werde nie enden, weil die Erschütterung mittlerweile ganz Europaerfasst habe und eine solche Erschütterung viele Unannehmlichkeiten nach sich ziehe. Die Weltkarte müsse umgestaltet werden, und das gehe mit Bomben und Schützengräben nun mal am schnellsten, sagte er mit einem fast unbekümmerten Achselzucken.
    »Und woher weißt du das alles?«
    Eine andere Frage fiel mir nicht ein. Daniela und ich hatten den Weg vom Barri zur Burg eingeschlagen, wie alte Leute, denen der Pfad entlang der Küste zu steil ist.
    »Diese Aussicht ist überwältigend«, sagte sie.
    Wir standen vor der Burgkapelle und schauten ins Tal, und Adrià dachte an sein Arkadien, aber nur flüchtig.
    »Wie kommt es, dass du so viel über meinen Vater weißt?«
    »Weil er mein Vater ist. Wie heißt der Berg dort hinten?«
    »Montseny.«
    »Sieht aus wie eine Weihnachtskrippe, nicht wahr?«
    Was weißt du schon von meinen Krippen, die ich zu Hause nie hatte, dachte ich. Doch Daniela hatte recht: Tona wirkte mehr denn je wie eine Krippe, und Adrià konnte nicht umhin, hinunterzudeuten.
    »Can Ges.«
    »Ja. Und Can Casic.«
    Wir gingen bis zum Maurenturm. Drinnen Kot und Urin, draußen der Wind und die Landschaft. Adrià setzte sich dicht neben den Abgrund, um das Tal so weit wie möglich zu überblicken. Dann erst kam ihm die richtige Frage in den Sinn: »Warum erzählst du mir das alles?«
    Sie setzte sich neben ihn und sagte, ohne ihn anzusehen, sie seien Geschwister, sie müssten zusehen, dass sie miteinander auskämen, und obendrein sei sie die Eigentümerin von Can Casic.
    »Das weiß ich. Mutter hat es mir gesagt.«
    »Ich werde das Haus abreißen und samt dem Müll, dem Tümpel, dem Misthaufen und dem Gestank nach verfaultem Stroh verschwinden lassen. Und ein neues bauen.«
    »Untersteh dich.«
    »Du wirst es

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