Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
schließlich meine Nominierung abgelehnt hat.
    »Nein, das wusste ich nicht.«
    Der Bischof, der ihm kerzengerade und wachsam in seinem bequemen Stuhl gegenübersaß, sah schweigend zu, wie sich der Großinquisitor mit dem Ärmel seiner Kutte den Schweiß von der Stirn wischte. Er wartete gut und gerne zwei Vaterunser, dann fragte er: »Geht es Euch gut, Exzellenz?«
    »Ja.«
    Der Bischof schwieg, und beide tranken einen Schluck Wein.
    »Dennoch, Exzellenz, seid Ihr nun wieder Generalvikar.«
    »Dank meiner Beharrlichkeit und meines Glaubens an den Herrn und seine Barmherzigkeit wurden mir das Amt und die Würde des Großinquisitors wiedergegeben.«
    »Also hat sich alles zum Guten gewendet.«
    »Ja, aber nun droht der König, mich erneut zu verbannen, und Freunde haben mir zugetragen, er wolle mich töten lassen.«
    Der Bischof dachte lange nach, dann hob er zaghaft den Finger und sagte, König Pere ist der Ansicht, Eure Besessenheit bei der Verdammnis der Werke Llulls …«
    »Llull?«, rief Eimeric aus. »Habt Ihr jemals etwas von Llull gelesen, Euer Gnaden?«
    »Nun, ich … Also, ja.«
    »Und?«
    Dieser schwarze Blick Eimerics bohrte sich einem in die Seele. Seine bischöfliche Gnaden schluckte: »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mir … Ich habe… Nun gut, ich wusste nicht …« Schließlich kapitulierte er: »Ich bin kein Theologe.«
    »Ich bin auch kein Ingenieur, und trotzdem ist es mir gelungen, die Öfen von Birkenau rund um die Uhr reibungslos am Laufen zu halten. Und es ist mir gelungen, dass meine Männer, die diese Rattenbande vom Sonderkommando kontrollieren, nicht den Verstand verlieren.«
    »Wie habt Ihr denn das hinbekommen, mein lieber Höß?«
    »Ich weiß es nicht. Indem ich die Wahrheit gepredigt habe. Indem ich allen dürstenden Seelen vor Augen geführt habe, dass es nur eine einzige evangelische Lehre gibt und dass es meine heilige Mission ist zu verhindern, dass Irrglaube und Bosheit die Fundamente der Kirche zerstören. Darum bemühe ich mich, die Ketzerei auszurotten, und die wirkungsvollste Methode besteht darin, die Ketzer auszurotten, die neuen wie die rückfälligen.«
    »Aber der König …«
    »Der aus Rom angereiste Generalinquisitor und Ordensvikar hat das sehr wohl erkannt. Er wusste von König Peres Abneigung gegen mich und riet mir, trotz allem die Verurteilung des gesamten Werkes des schändlichen und gefährlichen Ramon Llull voranzutreiben. Er hat kein einziges der von uns in den letzten Jahren angestrengten Verfahren in Frage gestellt und in einer bewegenden Messfeier bei der Predigt meine Wenigkeit als Musterbeispiel für alle Lagerkommandanten angeführt. Da kann der König von Valencia, Katalonien, Aragonien und Mallorca sagen, was er will. Und ich war glücklich, weil ich dem heiligsten aller Eide meines Lebens treu geblieben war.« Das Problem war, wenn überhaupt, diese Frau.
    »Es gibt da etwas, was …« Der Bischof zögerte einen Augenblick, dann hob er vorsichtig den Finger: »Und wohlgemerkt: Damit will ich nicht sagen, sie hätten nicht den Tod verdient.« Er betrachtete die Farbe des Weins in seinem Glas, und sie erschien ihm flammendrot: »Aber könnte man sie nicht …«
    »Was?«, fragte Eimeric ungeduldig.
    »Müssen sie denn unbedingt den Feuertod sterben?«
    »Es ist gängige Praxis in der gesamten christlichen Kirche, dass sie durch das Feuer sterben, Euer Gnaden.«
    »Ein grässlicher Tod.«
    »Auch ich brenne gerade vor Fieber und beklage mich nicht und lasse nicht nach in meinem Bemühen um das Wohl der Heiligen Mutter Kirche.«
    »Und ich bestehe darauf, dass der Feuertod ein grässlicher Tod ist.«
    »Aber ein verdienter!«, fuhr Eimeric auf. »Noch grässlicher sind Blasphemie und Beharren im Irrglauben, oder etwa nicht, Euer Gnaden?«, und ich starrte gedankenverloren in den leeren Kreuzgang. Dann merkte ich, dass ich allein war. Ich sah mich um. Wo steckte Kornelia?
    Die Touristengruppe wartete geduldig und diszipliniert in einer Ecke des Kreuzgangs von Bebenhausen, mit Ausnahme von Kornelia, die … Jetzt sah ich sie: Sie schlenderte allein und in Gedanken versunken durch den Hof des Kreuzgangs, unberechenbar wie immer. Ich betrachtete sie mit einer gewissen Begierde, und mir schien, als bemerke sie, dass ich sie beobachtete. Sie hielt an, den Rücken zu mir gewandt, und ging dann zu der Gruppe hinüber, die darauf wartete, dass genügend Leute für die Führung zusammenkamen. Ich winkte ihr zu, aber sie sah es nicht oder tat zumindest so.

Weitere Kostenlose Bücher