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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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das?«
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Natürlich, wenn du es sagst …«, sagte Bernat spöttisch, während er einen Stapel Bücher auf dem Boden abstellte. »Aber ein Haustier würde dir guttun.«
    »Ich will nicht, dass mir jemand wegstirbt. Verstanden?«,entgegnete Adrià, währen er das zweite Regal vor der Toilette mit slawischer Literatur füllte. Und er machte die Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art, und allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art. Und er sah, dass es gut war.
    Und nun saßen sie beide auf dem dunklen Boden im ersten Korridor und huldigten der Nostalgie: »Mensch, Karl May. Von dem habe ich auch jede Menge Bände.«
    »Sieh mal, Salgari. Zehn, nein zwölf Salgaris.«
    »Und Verne. Ich hatte die Ausgabe mit den Stichen von Doré.«
    »Und wo ist die jetzt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und Enid Blyton. Eigentlich ziemlich mies. Aber ich habe sie bestimmt dreißig Mal gelesen.«
    »Was machst du mit den Tim-und-Struppi-Bänden?«
    »Ich will nichts wegwerfen. Aber ich weiß nicht, wo ich sie hinstellen soll.«
    »Du hast immer noch viel Platz.«
    Adrià sagte, ja, ich habe noch viel Platz, aber ich will nicht aus Platzmangel darauf verzichten müssen, Bücher zu kaufen. Und mein Problem ist, wo ich die Karlmays und Julesvernes hinstelle, verstehst du? Bernat sagte, ich verstehe. Und sie sahen, dass im Bad zwischen dem Badezimmerschrank und der Decke noch Platz war, und Planas fertigte ihm voller Begeisterung ein robustes Eichenholzregal, in dem seine gesamte Jugendlektüre Platz fand.
    »Hält das auch?«
    »Wenn das runterfällt, komme ich höchstpersönlich vorbei und stelle mich für alle Zeiten als Stütze darunter.«
    »Wie Atlas.«
    »Wie bitte?«
    »Wie eine Karyatide.«
    »Hm, kann schon sein. Aber ich versichere Ihnen, das hält. Sie können beruhigt kacken gehen. Verzeihung, Ich meine, Sie können beruhigt sein.«
    »Die Zeitschriften kommen ins Gästeklo.«
    »Gute Idee«, sagte Bernat, der gerade zwanzig Kilo alte Geschichte durch den Korridor mit der Literatur in romanischen Sprachen in Adriàs ehemaliges Kinderzimmer schleppte.
    »Und die Kochbücher in die Küche.«
    »Brauchst du etwa ein Nachschlagewerk, um dir ein Spiegelei zu braten?«
    »Es sind Bücher von Mutter, die will ich nicht wegwerfen.«
    Und in dem Augenblick, da er sprach, lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, musste er an Sara denken. An Laura. Nein, an Sara. Nein, an Laura. Ich weiß es nicht: Aber er dachte an sie.
    Und am siebten Tag ruhten Adrià und Bernat und luden Tecla ein, damit sie ihr Schöpfungswerk bestaunen konnte, und nach der Besichtigung setzten sie sich in die Sessel im Arbeitszimmer. Tecla, die schon mit Llorenç schwanger war, war beeindruckt von ihrer Leistung und sagte zu ihrem Mann, mal sehen, ob du dich irgendwann mal aufraffen kannst, deinen Kram zu Hause so aufzuräumen. Sie tranken einen ausgezeichneten Tee aus dem Feinkostladen Can Múrria, als Bernat plötzlich aufsprang wie von der Tarantel gestochen: »Wo hast du die Storioni?«
    »Im Tresor.«
    »Hol sie raus. Sie muss an der Luft sein. Und du musst sie spielen, damit ihr Klang nicht dumpf wird.«
    »Ich spiele sie ja. Ich versuche, wieder mein altes Niveau zu erreichen. Ich spiele sie wie besessen, und allmählich gewinne ich sie richtig lieb.«
    »Diese Storioni muss man einfach lieben«, murmelte Bernat. »Sie hat einen überwältigenden Klang.«
    »Stimmt es, dass du auch Klavier spielst?«, fragte Tecla neugierig.
    »Auf Anfängerniveau«, sagte Adrià und fuhr fast entschuldigend fort: »Wenn man allein lebt, hat man viel Zeit für sich.«
    Sieben zwei acht null sechs fünf. Vial hatte den Tresor ganz für sich allein. Als er die Geige herausnahm, war ihm, als wäre sie in der langen Kerkerhaft erbleicht.
    »Die Arme. Warum legst du sie nicht zu den Inkunabeln in den Schrank?«
    »Gute Idee. Aber die Versicherung …«
    »Ach, pfeif auf die Versicherung … Soll ich sie dir klauen?«
    Adrià übergab mit einer Geste, die feierlich wirken sollte, die Geige an seinen Freund. Spiel etwas, sagte er. Bernat stimmte die Geige – das D lag sehr daneben – und spielte die zwei Fantasien von Beethoven so, dass wir das Orchester erahnen konnten. Mir scheint, auch heute noch, dass er außerordentlich gut spielte, als wäre er durch unsere lange Trennung reifer geworden, und ich dachte, wenn Tecla nicht hier wäre, würde ich ihm sagen, Junge, warum schlägst du dir die Schreiberei

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