Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
sehr wahrscheinlich auf Erpress…, schob sie die Schublade zu und sagte noch einmal, verzeih mir, ich habe kein Recht, über dich zu richten. Und ich schwieg wie ein Schuft.
    Ein wenig verwirrt nahmst du an meinem Arbeitstisch Platz, auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag, ich glaube, es war Masse und Macht von Canetti.
    »Und die Storioni ist rechtmäßig erworben«, log ich wieder und zeigte auf den Schrank mit den Instrumenten.
    Mit Tränen in den Augen sah sie mich an – sie wollte mir glauben.
    »In Ordnung«, sagtest du.
    »Und ich bin nicht mein Vater.«
    Du lächeltest schwach und sagtest, verzeih mir, verzeih mir, verzeih mir, dass ich einfach so in deine Wohnung gekommen bin.
    »Es ist unsere Wohnung, wenn du willst.«
    »Ich weiß nicht, ob du eine … Ob du … irgendeine Beziehung hast, die …« Sie holte Luft: »Ob es eine andere Frau gibt. Ich möchte nichts kaputt machen, was …«
    »Ich bin zu dir nach Paris gekommen. Hast du das schon vergessen?«
    »Ja, aber …«
    »Es gibt keine andere Frau«, log ich zum dritten Mal, wie Petrus.
    Und auf dieser Grundlage nahmen wir unsere Beziehung wieder auf. Ich weiß, dass es unklug von mir war, aber ich wollte dich um jeden Preis halten. Nun erst sah sie sich um. Ihr Blick fiel auf das Stück Wand, an dem die kleinen Bilder hingen. Sie ging zu ihnen hin, streckte die Hand aus und berührte – wie ich, als ich klein war – mit zwei Fingern ganz leicht die Miniatur von Abraham Mignon mit einem Straußüppiger gelber Gardenien in einem Tontopf. Und ich sagte nicht, immer musst du alles mit den Fingern ansehen, sondern lächelte glücklich. Sie drehte sich um, seufzte und sagte, es ist noch alles wie früher. So wie ich es mir Tag für Tag vorgestellt habe, all diese Jahre. Sie betrachtete mich, plötzlich heiter, und fragte, warum bist du zu mir gekommen?
    »Um die Wahrheit wiederherzustellen. Weil ich es nicht ertragen konnte, dass du die ganze Zeit über dachtest, ich hätte dich beleidigt.«
    »Ich …«
    »Und weil ich dich liebe. Und warum bist du gekommen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich liebe dich auch. Vielleicht bin ich gekommen, um … Ach, nichts.«
    »Sag schon.« Ich nahm ihre beiden Hände, um sie zum Sprechen zu ermuntern.
    »Aaalso … um wiedergutzumachen, dass ich mit zwanzig Jahren so schwach war.«
    »Ich kann auch nicht über dich richten. Es ist nun mal so gekommen.«
    »Und auch …«
    »Was?«
    »Und auch, weil mir nicht aus dem Sinn ging, wie du mich angesehen hast, als du im Treppenhaus vor mir standest.«
    Sie lächelte, in ihre eigenen Gedanken versunken.
    »Weißt du, wie du ausgesehen hast?«, fragte sie.
    »Wie ein Lexikonvertreter.«
    Sie lachte los, dein Lachen, Sara!, und sagte, ja, ja, ganz genau so. Aber gleich darauf wurde sie wieder ernst und sagte, ja, ich bin zurückgekommen, weil ich dich liebe. Wenn du es willst. Und ich dachte nicht mehr daran, dass ich an diesem Tag schon zu viel gelogen hatte. Ich konnte dir nicht einmal mehr sagen, dass mich damals im achten Arrondissement die Panik packte, als du mit der Klinke in der Hand vor mir standest, als wolltest du mir jeden Augenblick die Tür vor der Nase zuschlagen. Das habe ich dir nie gesagt. Als guter Lexikonvertreter habe ich meine Angst überspielt. Im tiefsten Inneren meines Herzens war ich zu dir nach Paris in dierue Laborde 48 gekommen, um dich sagen zu hören, dass du nichts mehr von mir wissen wolltest, sodass ich guten Gewissens ein Kapitel abschließen und in Ruhe weinen konnte. Aber nachdem Sara in Paris nein zu mir gesagt hatte, kam sie zu mir nach Barcelona und sagte, ich könnte jetzt einen Kaffee vertragen.

36
    Sacht und leise bist du in mein Leben getreten, wie beim ersten Mal, und ich dachte nicht mehr an Eduard und Ottilie und nicht mehr an meine Lügen, sondern nur noch an deine stille, tröstliche Gegenwart. Adrià sagte zu ihr, nimm diese Wohnung in Besitz; nimm mich in Besitz. Er bot ihr zwei Räume zur Auswahl für ihr Zeichenatelier, ihre Bücher, ihre Kleider und ihr Leben, wenn du willst, liebste Sara; aber ich wusste nicht, dass es zur Verwahrung von Saras gesamtem Leben sehr viel mehr Schränke brauchte, als Adrià ihr bieten konnte.
    »Das hier ist genau das Richtige. Größer als mein Atelier in Paris«, sagtest du, als du von der Tür aus in Lola Xicas Zimmer spähtest.
    »Es ist hell und ziemlich ruhig, weil es nach hinten hinaus liegt.«
    »Danke«, sagte sie und wandte sich mir zu.
    »Du solltest mir nicht danken. Ich danke

Weitere Kostenlose Bücher