Das Schweigen des Sammlers
zwei muskelbepackte Männer, und auch der Fahrer kam noch dazu. Alle musterten ihn angewidert. Falegnami streckte brüsk die Hand nach der Geige aus. Ardèvol gab sie ihm, und Falegnami stieg in den Wagen, um den Geigenkasten zu öffnen. Mit der Geige in der Hand stieg er wieder aus.
»Du hältst mich wohl für blöd, was?«
»Was ist denn jetzt schon wieder?« Ich stelle mir vor, dass Vater eher wütend als verängstigt war.
»Wo ist die Storioni?«
»Ach, verdammt, da haben Sie sie doch!«
Als Antwort hob Voigt die Geige und zerschlug sie an einem Felsen am Straßenrand
»Was machen Sie denn da?«, rief Vater erschrocken.
Voigt hielt ihm die zerschlagene Geige vor die Augen. Die Decke war zersplittert, sodass man die Inschrift erkennen konnte: Casa Parramon, Carrer del Carme. Vater verstand gar nichts.
»Das kann nicht sein! Ich habe sie selbst aus dem Tresor geholt!«
»Dann haben sie sie dir wohl schon vor einiger Zeit gestohlen, du Idiot!«
Ich würde gerne glauben, dass Vater sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte, als er sagte, na, wenn das so ist, verehrter Signor Falegnami, dann habe ich keine Ahnung, wer dieses wertvolle Instrument haben könnte.
Voigt hob eine Augenbraue, und einer der Männer versetzte Vater einen Schlag in den Magen, dass der zusammenklappte und nach Luft rang.
»Streng dein Gedächtnis an, Ardèvol.«
Und da Vater nicht wissen konnte, dass sich Vial in diesem Augenblick in den Händen von Bernat Plensa i Punsoda befand, dem Lieblingsschüler von Senyoreta Trullols am Städtischen Musikkonservatorium von Barcelona, nutzte es auch nichts, dass er sein Gedächtnis anstrengte. Für alle Fälle sagte er, ich weiß es nicht, Ehrenwort.
Voigt zog eine kleine, handliche Damenpistole aus der Tasche.
»Ich glaube, wir werden eine Menge Spaß haben«, sagte er. Er zeigte auf die Pistole. »Kennst du sie noch?«
»Natürlich. So kriegen Sie Ihre Geige aber nicht.«
Wieder ein Schlag in die Magengrube, aber es hatte sich doch gelohnt. Wieder klappte er zusammen. Und wieder rang er mit offenem Mund und hervorquellenden Augen nach Luft. Ich weiß nicht, was dann geschah. Die hastige Winterdämmerung war der Nacht und der Straflosigkeit gewichen, in der sie meinen Vater so übel zurichteten, dass es meine Vorstellungskraft übersteigt.
»Howgh.«
»Mensch, wo habt ihr denn gesteckt?«
»Selbst wenn dein Vater Vial dabeigehabt hätte, hätten sie ihn fertiggemacht.«
»Schwarzer Adler hat recht«, warf Carson ein. »Er war ein toter Mann, wenn du mir den Ausdruck erlaubst.« Er spuckte trocken aus. »Und er wusste es, als er aus dem Haus ging.«
»Warum hat er sich die Geige nicht angesehen?«
»Er war zu aufgeregt, um zu merken, dass er nicht Vial bei sich hatte.«
»Danke, Freunde. Aber ich fürchte, das ist kein Trost.«
Voigt folterte meinen Vater unter strenger Einhaltung des Morlin in Damaskus gegebenen Ehrenworts, meinem Vater kein Haar zu krümmen, weil der schon völlig kahl war. So und nicht anders muss es gewesen sein. Wie Brünnhilde, die Siegfried ungewollt in den Tod schickte, indem sie seinen Feinden seinen verwundbaren Punkt verriet, habe ich meinen Vater, der mich nicht liebte, in den Tod geschickt, indem ich die Geige austauschte. Und so, wie Brünnhilde zum Gedenken an Siegfried ewige Rache schwor, schwor der Taugenichts Ardèvol, die Geige für alle Ewigkeit im Haus zu behalten. Ich tat es zum Gedenken an meinen Vater, ja. Aber heute muss ich gestehen, dass ich es auch tat, weil es mich allein bei dem Gedanken, dass sie eines Tags weg sein könnte, in den Fingern kribbelte.
35
Rsrsrsrsrsrsrsrs.
Adrià saß auf dem Klo und las Le forme de contenuto . Er hörte die Klingel laut und deutlich und dachte, ach je, der Botenjunge von Can Múrria kommt aber auch immer im unpassendsten Moment. Es dauerte eine ganze Weile, bis es wieder klingelte, und er sagte sich, ich hätte die Klingel gegen etwas Moderneres austauschen sollen. Vielleicht wäre ein Dingdong fröhlicher.
Rsrsrsrsrsrsrsrsrsrs.
»Ja, verdammt, ich komme ja schon!«, murrte er.
Mit dem Eco unter dem Arm öffnete er die Tür, und da standest du, Liebste, auf dem Treppenabsatz vor mir, mit ernster Miene und einer ziemlich kleinen Reisetasche; du sahst mich aus deinen dunklen Augen an, und eine ganze Minute lang waren wir beide wie gelähmt, sie auf dem Treppenabsatz, er in der Wohnung, haltsuchend an die Tür gelehnt in dem Versuch, die Überraschung zu verdauen. Und nach dieser endlosen Minute
Weitere Kostenlose Bücher