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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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hat ihn verhaftet?«
    »Die SS.«
    »Und weshalb?«
    »Weil er Franz Blumen aufs Grab gelegt hat. Du musst etwas tun.«
    »Also …, ich …«
    »Um Gottes willen, hilf ihm!«
    »Ich habe im Moment sehr viel Arbeit. Und wir wollen doch keine schlafenden Hunde wecken!«
    »Er ist dein Onkel!«
    »Irgendwas wird er schon ausgefressen haben.«
    »So etwas darfst du nicht sagen, Konrad!«
    »Hör zu, Herta, wer Gurken pflanzt, muss auch für Schatten sorgen.«
    »Niederländisch?«, hörte Herta Konrad sagen. Dann sprach er wieder ins Telefon: »Du hast anscheinend viel Zeit, aber ich bin bei der Arbeit. Ich bin viel zu beschäftigt, um mich um solchen Firlefanz zu kümmern. Heil Hitler!«
    Sie hörte, wie der Schweinehund Konrad Budden auflegte und damit das Urteil über Lothar sprach, und begann verzweifelt zu weinen.
    Lothar Grübbe, zweiundsechzig Jahre alt, war kein gefährliches Subjekt. Dennoch könnte mit seinem Tod ein Exempel statuiert werden: Vater eines niederträchtigen Verräters legt an einem Grab Blumen nieder, als wäre es ein Denkmal für den inneren Widerstand. Ein Grab, in dem …
    Obersturmführer Hartbold-Bosch ließ nachdenklich den Unterkiefer hängen. Natürlich! Er wandte sich an die Zwillinge, die an der Wand lehnten:
    »Lasst das Grab des Verräters öffnen!«
    Das Grab des Verräters Franz Grübbe war leer. Der alte Lothar hatte die Obrigkeit verspottet, indem er heimlich an einem Ort Blumen niederlegte, wo gar nichts war. Ein leeres Grab ist gefährlicher als eines mit einem Sack Knochen darin. Die Leere macht es universell und verwandelt es in eine Gedenkstätte.
    »Was sollen wir mit dem Gefangenen machen, Exzellenz?«
    Adrian Hartbold-Bosch holte tief Luft. Er schloss die Augen und sagte leise, hängt ihn an einem Fleischerhaken auf, wie es sich für einen Verräter des Reichs gehört.
    »Wäre das nicht … zu grausam? Er ist ein Klappergreis.«
    »Fra Miquel …« Die Stimme des Obersturmführers klang drohend. Und als er seine Untergebenen schweigend und mitgesenkten Köpfen dastehen sah, spuckte er Gift und Galle und brüllte sie an:
    »Schafft mir dieses Aas aus den Augen!«
    Lothar Grübbe, schaudernd angesichts des Todes, der ihn erwartete, wurde in die Strafzelle gebracht. Man richtete nicht mehr jeden Tag einen Verräter hin, und so musste die Halterung für den Haken erst montiert und dieser gewissenhaft zugespitzt werden. Als sie ihn mit dem Seilzug hochhievten, schwitzte er und erbrach sich würgend. Er hatte gerade noch Zeit zu sagen, alles in Ordnung, Anna, mach dir keine Sorgen. Eine halbe Sekunde, bevor man ihn mit der Wucht, die zum Aufspießen eines Verräters nötig war, an den Haken hängte, starb er vor Angst.
    »Wer ist diese Anna?«, fragte sich halblaut einer der Zwillinge.
    »Ist jetzt auch egal«, gab der andere zurück.

52
    An diesem dunkel bewölkten Dienstag waren um zwanzig vor acht die fünfzig Stühle im Sagarra-Saal des Ateneu von Jugendlichen besetzt, die verträumt der schnulzigen Hintergrundmusik zu lauschen schienen. Ein älterer Mann entschied sich nach langem Zögern für einen der hinteren Plätze, als fürchtete er, hinterher abgefragt zu werden. Zwei alte Damen in der ersten Reihe, die mit sichtlicher Enttäuschung festgestellt hatten, dass im Anschluss kein Imbiss vorgesehen war, tuschelten miteinander und bewegten ihre Fächer. Auf einem seitlichen Tisch waren die fünf Bücher aufgebaut, aus denen Bernat Plensas Gesamtwerk bestand. Zu Adriàs Verwunderung saß Tecla trotz allem in der ersten Reihe. Sie schaute um sich, als wollte sie genau wissen, wer hereinkam. Adrià näherte sich ihr und gab ihr einen Kuss, und seit er bei ihrem letzten Streit den Schlichter zu spielen versucht hatte, lächelte sie ihn zum ersten Mal wieder an. Es war eine ganze Weile her, dass sie sich gesehen hatten.
    »Gut, was?«, sagte Adrià, und seine hochgezogenen Augenbrauen bezogen sich auf den ganzen Saal.
    »Das habe ich nicht erwartet. Schon gar nicht so viele junge Leute.«
    »Ja, nicht wahr?«
    »Wie kommst du mit Llorenç voran?«
    »Prima. Ich kann schon Textdokumente erstellen und auf einer CD abspeichern.« Adrià überlegte einen Moment. »Aber ich bin immer noch nicht imstande, direkt in den Computer zu tippen. Ich brauche Papier.«
    »Das wird sich schon noch ändern.«
    »Wenn es sich denn ändern muss.«
    Das Telefon klingelte, und niemand kümmerte sich darum. Adrià hob den Kopf und die Brauen. Kein Mensch reagierte, als gäbe es dieses Klingeln

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