Das Schweigen des Sammlers
überhaupt nicht.
Auf dem Rednertisch waren die fünf Bücher, die Bernat veröffentlicht hatte, so aufgestellt, dass das Publikum die Titel sehen konnte. Die süßliche Hintergrundmusik verstummte, doch das Telefon klingelte weiter. Bernat betrat das Podium, begleitet von Carlota Garriga. Adrià fand es befremdlich, ihn nicht mit der Geige in der Hand zu sehen, und musste über diesen Gedanken lächeln. Der Autor und die Moderatorin nahmen Platz. Bernat zwinkerte mir zu und ließ den Blick zufrieden über den vollbesetzten Saal schweifen. Carlota Garriga begann, indem sie sagte, sie habe die Literatur von Bernat Plensa schon immer bewundert, und der zwinkerte mir noch einmal zu, und einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, er könnte diesen ganzen Zirkus eigens für mich veranstaltet haben. Also beschloss ich, mich zu sammeln und mir aufmerksam anzuhören, was Frau Dr. Garriga zu sagen hatte.
Alltägliche Welten mit vorwiegend unglücklichen Figuren, die sich nicht entscheiden können, ob sie lieben oder aneinander vorbeischauen sollen, dargeboten mit einem außerordentlichen Stilgefühl – ein Aspekt, auf den ich später noch näher eingehen werde.
Als die Garriga eine halbe Stunde später auf alle Aspekte näher eingegangen war, sogar auf den der Einflüsse, hob Adrià die Hand und bat, den Autor fragen zu dürfen, warum sich die Figuren in den ersten vier Büchern physisch und psychologisch so ähnlich seien, und bereute die Frage sofort. Nach kurzem Nachdenken bestätigte Bernat, ja, ja, der Herr hat völlig recht. Das ist beabsichtigt. Ich würde sagen, sie sind in gewisser Weise die Vorläufer der Figuren des Romans, an dem ich zurzeit arbeite.
»Sie arbeiten an einem Roman?«, fragte ich überrascht.
»Ja. Es wird noch dauern, aber ich bin dabei.«
Eine Hand in der letzten Reihe: Das Mädchen mit dem mächtigen Zopf wollte erklärt haben, nach welchem Muster er seine Geschichten erfinde, und Bernat schnaufte voller Genugtuung und sagte, puh, was für eine Frage, ich weiß nicht, ob ich in der Lage sein werde, sie zu beantworten.Doch dann redete er fünf Minuten darüber, wie er sich seine Erzählungen ausdachte. Dann fasste sich der Junge mit dem Quäkerbart ein Herz und erkundigte sich nach Bernats literarischen Vorbildern. Ich drehte mich um und betrachtete zufrieden das Publikum und erstarrte, denn in diesem Moment betrat Laura den Saal. Ich hatte sie einige Monate nicht gesehen, weil sie irgendwo in Schweden gewesen war, und wusste nicht einmal, dass sie zurück war. Sie war ausgesprochen hübsch. Aber was hatte sie hier verloren? Dann stand der blonde Junge, der Schwarm der beiden Mädchen, auf und sagte, Bernat oder die Dame …
»Frau Dr. Garriga«, warf Bernat ein.
»Ja, genau«, bestätigte der blonde Junge. »Einer von Ihnen beiden hat jedenfalls beiläufig erwähnt, Sie seien Musiker, und ich verstehe nicht, wie Sie Musiker und zugleich Schriftsteller sein können. Was ich wissen will, ist, ob man mehrere Künste nebeneinander betreiben kann. Könnte ja sein, dass Sie auch noch heimlich malen oder bildhauern.«
Die beiden Mädchen lachten über den spritzigen Einfall ihres blonden Schwarms, und Bernat antwortete, das alles habe seine Wurzeln in der tiefen Unzufriedenheit der menschlichen Seele. Dann kreuzte sich sein Blick mit dem Teclas, und ich spürte ein kleines, ein winziges Zögern, doch dann fuhr Bernat rasch fort, verstehst du, was ich sagen will: Kunst wird aus der Unzufriedenheit geboren. Mit vollem Bauch macht man keine Kunst, sondern ein Nickerchen. Und einige der Anwesenden schmunzelten.
Nach der Veranstaltung ging Adrià Bernat begrüßen, und dieser sagte, siehst du? Volles Haus. Und Adrià antwortete, ja, mein Lieber, gratuliere. Tecla gab Adrià einen Kuss. Sie wirkte gelöster, als sei ihr ein Stein vom Herzen gefallen, und ehe die Garriga zu ihnen stieß, sagte sie, du, ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute kommen. Und Adrià wagte nicht zu fragen, warum ist mein Freund Llorenç nicht gekommen. Dann schloss die Garriga sich der Gruppe an und wollte Dr. Ardèvol begrüßen, den sie noch nicht persönlich kannte, und Bernat schlug vor, alle zusammen essen zu gehen.
»Ich kann nicht. Tut mir leid. Ehrlich. Feiert noch schön, ihr habt es euch verdient.«
Als Adrià herauskam, war der Saal bereits leer. Im Vorraum stand Laura, tat, als studierte sie das Programm der nächsten Veranstaltungen, und kaum hörte sie Adriàs Schritte, wandte sie sich ihm
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