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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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verschloss das Tor mit dem großen Schlüssel, den er als Bruder Pförtner so viele Jahre lang ständig bei sich getragen hatte und den er jetzt der Abtei würde überlassen müssen. Non sum dignus, murmelte er unablässig vor sich hin und umklammerte den Schlüssel, das Symbol für ein halbes Jahrtausend beständigen Klosterlebens in Burgal. Draußen setzte er sich unter den Nussbaum, das Allerheiligste in den Armen, und wartete auf die Brüder aus Gerri. Non sum dignus. Und wenn sie im Kloster übernachten wollen? Laut der Regel des heiligen Benedikt ist es strikt untersagt, dass ein Mönch allein in einem Zönobium lebt, und darum hatte der Pater Prior, als er krank wurde, den Abt von Gerri benachrichtigt, damit dieser die entsprechenden Maßnahmen ergriff. Er und der Pater Prior waren schon seit achtzehn Monaten die einzigen Mönche in Burgal gewesen. Der Pater hatte die Messe gelesen, und er hatte ihr andachtsvoll gelauscht; beide hielten sie die Horen ein, sangen die Gebete allerdings nicht mehr, weil selbst das Zwitschern der Sperlinge ihre zittrigen dünnen Stimmen übertönte. Und als der hochverehrte Pater Prior, nachdem er zwei Tage lang hohes Fieber gehabt hatte, am frühen Abend des Vortages gestorben war, stand er wieder einmal allein da. Non sum dignus.
    Jemand kam den steilen Pfad aus Escaló herauf, denn der aus Estaron war im Winter unpassierbar. Endlich. Er stand auf, klopfte den Staub aus seiner Kutte und ging ein Stück den Pfad hinab, das Allerheiligste fest an sich gedrückt. Dann hielt er inne. Vielleicht sollte er zum Zeichen der Gastfreundschaft das Tor öffnen? Abgesehen von den Anweisungen des sterbenden Priors hatte er keine Ahnung, wie man ein so geschichtsträchtiges Zönobium für beendet erklärte. Die Brüder aus Gerri kamen nur langsam voran; sie wirkten erschöpft. Drei Mönche. Mit Tränen in den Augen wandte er den Blick, um dem Kloster Lebewohl zu sagen, und machte sich an den Abstieg, um den Brüdern den beschwerlichen Rest des Weges zu ersparen. Einundzwanzig Jahre in Burgal, in sicherer Entfernung von seinen Erinnerungen, erloschen mit dieser Geste. Leb wohl, Sant Pere. Lebt wohl, ihr Bäche mit eurem plätschernden kalten Wasser. Lebt wohl, ihr eisbedeckten Berge, die ihr mir Ruhe geschenkt habt. Lebt wohl, Brüder dieses Klosters und ihr Jahrhunderte der Gesänge und Gebete.
    »Brüder, Friede sei mit Euch an diesem Tag der Geburt unseres Herrn.«
    »Friede sei mit Euch.«
    »Wir haben ihn schon bestattet.«
    Einer der Brüder streifte die Kapuze ab. Eine edle Stirn, vermutlich die eines Professes, Verwesers oder Novizenlehrers, ein Lächeln, das dem des anderen Bruders Julià ähnelte. Unter seinem Umhang trug er kein Mönchsgewand, sondern das Kettenhemd eines Ritters. Seine Begleiter waren Fra Mateu und Fra Maur aus Gerri.
    »Wer ist der Tote?«, erkundigte sich der Ritter.
    »Der Pater Prior. Der Verstorbene ist der Pater Prior. Hat man Euch denn nicht Bescheid gegeben, dass …«
    »Wie heißt er? Wie hieß er?«
    »Josep de Sant Bartomeu.«
    »Gelobt sei Gott. Dann seid Ihr Fra Miquel de Susqueda.«
    »Mein Name ist Bruder Julià. Ich bin Bruder Julià.«
    »Fra Miquel. Der Dominikanerketzer.«
    »Das Essen steht auf dem Tisch.«
    Lola Xica streckte den Kopf ins Arbeitszimmer. Mein Vater wedelte nur abwehrend mit der Hand und fuhr fort, mir die zunächst einmal unverständlichen Artikel der Gründungsakte vorzulesen. Und als antwortete er damit auf Lola Xicas Aufforderung: »Jetzt lies du den Rest.«
    »Die Schrift ist so komisch …«
    »Lies«, sagte Vater ungeduldig und enttäuscht, eine solche Tranfunzel zum Sohn zu haben. Und Adrià fing an, in gutem mittelalterlichem Latein die Worte des Abtes Delligat vorzulesen, ohne sie wirklich zu verstehen, während ihn die andere Geschichte weiter gefangen hielt.
    »Nun ja …, der Name Fra Miquel gehört zu meinem früheren Leben. Und der Dominikanerorden ist meinen Gedanken sehr fern. Ich bin ein neuer Mensch, ein anderer Mensch.« Er sah dem Ritter in die Augen, wie es der Pater Prior zu tun pflegte. »Was wollt Ihr, Bruder?«
    Der Mann mit der edlen Stirn fiel auf die Knie, dankte Gott mit einem kurzen stummen Gebet und bekreuzigte sich andächtig; auch die drei Mönche schlugen ehrerbietig das Kreuzzeichen. Dann richtete der Mann sich auf.
    »Ich habe viele Jahre gebraucht, um Euch zu finden. Einheiliger Bruder Inquisitor hat mir aufgetragen, Euch wegen Ketzerei hinzurichten.«
    »Ihr irrt Euch.«
    »Meine Herren,

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