Das Schweigen des Sammlers
Gehalt. Und das hier ist der Teil, der Ihnen zur Wiedergutmachung nicht ausgezahlt wird. Ich möchte alles bis auf den letzten Heller wiederhaben, und aus dem Gefängnis werden Sie es mir nicht zurückgeben können. Ja oder ja, Senyor Berenguer?«
Senyor Berenguer klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch. Und dann musste er auch noch Senyora Ardèvols Atem ertragen, denn sie war aufgestanden, beugte sich über den Tisch und sagte ihm mit sanfter Stimme direkt ins Gesicht, und falls mir etwas zustößt, sollten Sie wissen, dass ich alle Informationen und Anweisungen für die Polizei im Tresor eines Notars hinterlegt habe, unterzeichnet am einundzwanzigsten März neunzehnhundertachtundfünfzig in Barcelonavon Carme Bosch d’Ardèvol. Beglaubigt von x, x, x, Notar. Und nach einer weiteren Pause wiederholte sie, ja oder ja, Senyor Berenguer?
Und da sie schon einmal dabei war und alle Hemmungen verloren hatte, ließ sie sich im gleichen Schwung einen Termin beim Zivilgouverneur von Barcelona geben, dem abscheulichen Acedo Colunga, und forderte vor dem persönlichen Sekretär des Gouverneurs Gerechtigkeit ein.
»Gerechtigkeit wofür?«
»Für den Mord an meinem Mann.«
»Ich werde mich erst umfassend informieren müssen, damit ich weiß, worum es geht.«
»In dem Antrag, den ich ausfüllen musste, musste ich auch den Grund für mein Audienzgesuch erklären. Ausführlich.« Pause. »Haben Sie es gelesen?«
Der Sekretär des Gouverneurs blickte auf die Formulare, die vor ihm lagen. Er ließ sich Zeit beim Lesen. Die schwarze Witwe bemühte sich, ruhig zu atmen, und dachte, was mache ich hier, warum reibe ich mich auf wegen eines Mannes, der mich von Anfang an ignoriert und mich in seiner gesamten bbeschissenen Existenz nie geliebt hat?
»Na, schön«, sagte der Sekretär. »Und was wünschen Sie?«
»Das will ich mit Seiner Exzellenz dem Herrn Gouverneur besprechen.«
»Besprechen Sie es mit mir, das ist dasselbe.«
»Ich möchte den Gouverneur persönlich sprechen.«
»Unmöglich. Schlagen Sie sich das aus dem Kopf.«
»Aber …«
»Daraus wird nichts.«
Und es wurde nichts daraus. Als sie das Regierungsgebäude verließ, zitterten ihr die Knie vor Wut, und sie beschloss aufzugeben. Womöglich bedrückte sie die wundersame Erscheinung meines Engels mehr als die Abfuhr durch die franquistische Behörde. Oder auch die ärgerliche Hartnäckigkeit, mit der einige Leute versuchten, aus Fèlix einen zwanghaften Hurenbock zu machen. Oder vielleicht gelangte sie letztlich auch zu dem Schluss, dass es nicht der Mühe wert war, umGerechtigkeit für einen Mann zu kämpfen, der ihr gegenüber so ungerecht gewesen war. Ja. Oder nein. Wie auch immer: Ich habe keine Ahnung, denn bis ich dir begegnet bin, war gleich nach meinem Vater meine Mutter die große Unbekannte meines Lebens. Tatsächlich nahmen die Dinge kaum zwei Tage später eine leichte Wende, sodass Mutter ihre Pläne änderte. Und davon kann ich dir aus erster Hand berichten und brauche nichts zu erfinden.
»Rsrsrsrsrsrsrs.«
Ich öffnete. Mutter war gerade erst von ihrem Aufstand im Laden zurückgekommen, und ich glaube, sie war auf der Toilette. Kommissar Plasencias Tabakgestank war schon in der Wohnung, bevor er eintrat.
»Ist Senyora Ardèvol da?« Er schnitt eine Grimasse, die möglicherweise ein Lächeln sein sollte. »Wir kennen uns doch, nicht wahr?«
Mutter nahm den Kommissar und seine Tabakwolke mit ins Arbeitszimmer. Ihr Herz machte bumm, bumm, bumm, und meines machte bamm, bumm, bomm, denn ich hatte eine dringende Versammlung mit Schwarzer Adler und Carson einberufen, ohne Pferde, um Lärm zu vermeiden. Die Galerie mit dem Fenster war von Lola Xica besetzt, also sah ich mich zu einer Wahnsinnstat gezwungen und schlüpfte wie ein Dieb hinter das Sofa, als meine Mutter und der Polizist sich eben unter geräuschvollem Stühlerücken niederließen. Es war das letzte Mal, dass ich das Sofa als Horchposten verwendete, meine Beine waren inzwischen zu lang. Mutter ging noch einmal hinaus, um Lola Xica zu sagen, dass uns ja niemand stört, selbst wenn der Laden abbrennt, hast du mich verstanden, Lola Xica? Und damit kam sie zurück und schloss die Tür hinter uns fünfen.
»Ich höre, Kommissar.«
»Sie haben anscheinend versucht, mich bei Seiner Exzellenz dem Gouverneur in Misskredit zu bringen.«
»Ich bringe niemanden in Misskredit, noch kritisiere ich Sie. Ich verlange lediglich die Informationen, die man mir schuldig ist.«
»Dann werde ich
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