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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Ihnen diese Informationen jetzt geben, und vielleicht könnten Sie sich freundlicherweise bemühen, die Lage zu erfassen.«
    »Ich werde mich bemühen«, erwiderte sie spitz. Und ich applaudierte lautlos wie die beste Ehefrau des besten Paläographen der Welt.
    »Ich muss Ihnen leider sagen, dass beim Herumstochern im Leben Ihres Gatten einige unschöne Dinge zutage gekommen sind. Wollen Sie die wissen?«
    »Selbstverständlich.«
    Ich vermute, seit der Erscheinung meines italienischen Engels (zärtlich betastete ich das Medaillon, das ich heimlich um den Hals trug) war meine Mutter auf alles gefasst. Darum fügte sie hinzu, legen Sie los, Herr Kommissar.
    »Ich warne Sie, denn Sie werden sagen, ich hätte mir das alles ausgedacht, und mir nicht glauben wollen.«
    »Probieren Sie es aus.«
    »Na schön.«
    Der Kommissar machte eine Pause, und dann begann er, ihr die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu erzählen. Er erzählte ihr, Fèlix Ardèvol sei ein Halunke gewesen, der in Barcelona zwei Bordelle betrieben habe und in eine dunkle Affäre um minderjährige Prostituierte verwickelt gewesen sei. Wissen Sie, was eine Hure ist, Senyora?
    »Fahren Sie fort.«
    »Il fait déjà beaucoup de temps que son mari mène une double vie, madame Ardèvol. Deux Bordelle (?), erschwert (compliquer?) durch den Tatbestand de faire … de … de … d’utiliser des filles de quinze ou seize ans. Je suis désolé d’être obligé de parler de tout ça.«
    Mein Fuß hatte sich zum Glück wieder beruhigt, denn mit dem Französischen klappte es an diesem Tag hinten und vorne nicht, und ich konnte mich wieder dem schwer verständlichen Nuscheln des Kommissars zuwenden. Ich glaube, Carson zwinkerte mir zu, als er bemerkte, dass ich den zuckenden Fuß zur Ruhe gebracht hatte.
    »Soll ich fortfahren, Senyora?«
    »Bitte.«
    »Anscheinend war es ein Racheakt des Vaters eines Mädchens, das Ihr Mann zur Prostitution gezwungen hatte. Denn bevor er sie verkaufte, testete er sie erst selbst. Verstehen Sie?« Mit leichtem Nachdruck: »Er entjungferte sie.«
    »Howgh.«
    »Ja.«
    »Das wären schon zwei.«
    »Ja: Bordell und entjungfern.«
    »Es ist grauenvoll und kaum zu glauben. Versetzen Sie sich in die Lage dieser Mädchen. Oder die der Väter dieser Mädchen. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich rauche?«
    »Unterstehen Sie sich!«
    »Wenn Sie wollen, können wir hier mit den Ermittlungen ansetzen und den verzweifelten Vater suchen, der untergetaucht ist, nachdem er auf eigene Faust Justiz geübt hatte. Allerdings wird mit jedem Schritt, den wir tun, mehr von dem wenig erbaulichen Leben Ihres Gatten ans Tageslicht kommen.«
    Schweigen. Mein Fuß drohte de bouger encore une fois. Leise Geräusche. Wahrscheinlich steckte der Kommissar den untersagten Zigarillo wieder ein. Da sagte meine Mutter mit einem Mal: »Wissen Sie was, Kommissar?«
    »Was?«
    »Sie haben vollkommen recht. Ich glaube Ihnen kein Wort. Das haben Sie sich ausgedacht. Jetzt will ich nur noch wissen, warum.«
    »Sehen Sie? Sehen Sie? Ich habe Ihnen prophezeit, dass Sie das sagen würden.« Und lauter: »Ich habe es Ihnen prophezeit, stimmt’s?«
    »Das ist kein Argument.«
    »Wenn Sie keine Angst vor den Konsequenzen haben, kann ich die Sache weiterverfolgen. Über den Dreck, den wir dabei aufwühlen werden …, wusste nur Ihr Mann Bescheid.«
    »Auf Wiedersehen, Kommissar. Kein schlechter Versuch, muss ich zugeben.«
    Meine Mutter klang wie Old Shatterhand, ein bisschen frech. Das gefiel mir. Carson und Schwarzer Adler waren sobegeistert, dass Schwarzer Adler mich am Abend bat, sich von nun an Winnetou nennen zu dürfen, was ich ablehnte. Mutter hatte auf Wiedersehen gesagt, obwohl die beiden noch saßen! Seit sie den Laden umkrempelte, hatte sie ein Gespür dafür entwickelt, sich in Szene zu setzen. Denn nun blieb Kommissar Plasencia nichts anderes übrig, als aufzustehen und irgendetwas Zusammenhangloses zu murmeln. Und ich kaute weiter an meinen Zweifeln, ob das, was der Kommissar über meinem Vater gesagt hatte, zutraf oder nicht, auch wenn ich es nicht ganz verstanden hatte.
    »Howgh.«
    »Ja. Bordell, und was war das andere?«
    »Entpulvern?«, schlug Carson vor.
    »Ich weiß nicht, so was Ähnliches.«
    »Dann lass uns erst mal Bordell nachschlagen. Im Lexikon, ja.«
    »Bordell: Freudenhaus oder öffentliches Haus, ugs. Puff.«
    »Tja. Dann müssen wir nach Freudenhaus suchen. Hier.«
    »Freudenhaus: Bordell, Puff, öffentliches Haus zur Ausübung von

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