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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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angerufen, die die
    Möbel und das Bett aus der Wohnung holen und
    entsorgen sollte.
    Es war nicht einfach gewesen, dem Mann klar zu ma-
    chen, dass es sich nicht um einen Umzug handelte, son-
    dern um das Entsorgen nicht mehr zu verwendender
    Möbel, aber irgendwann hatte der Mann alles begriffen
    und versichert, gleich am nächsten Tag früh morgens da
    zu sein.
    Er hatte anschließend eine Weile aus dem Fenster auf
    die Bäume und in den Himmel gestarrt und durch die
    Scheibe leise den Staubsauger gehört, mit dem Pärssi-
    nen seinen Wagen reinigte.
    Dann war er noch einmal die kleine Wohnung abge-
    laufen, hatte mit dem, was noch immer herumlag, eine
    allerletzte Mülltüte gefüllt, mehrfach war er durch die
    Wohnung gelaufen, hatte sich vergewissert, dass sie
    wirklich leer war, und dann war er in den weißen Flur
    getreten, hatte die Tür zugezogen, hatte gehört, wie sie
    eingerastet war, hatte den Schlüssel stecken lassen für
    die Männer von der Umzugsfirma und war nach unten
    in die Sonne gegangen.
    Er hatte die Mülltüte in den Container geworfen.
    Pärssinen hatte im Wagen auf der Rückbank gekauert
    und Flecken entfernt, die es nicht gab, nicht geben
    konnte, denn das Mädchen hatte nur im Kofferraum
    gelegen. Aber Pärssinen war nicht zu bremsen gewesen,
    und er war an den Wagen herangetreten und hatte ge-
    sagt: »Ich gehe jetzt.«
    Pärssinen hatte sich aufgerichtet und ihn angestarrt.
    »Sie hat geblutet, Scheiße. Der Kofferraum ist voller
    Blutflecken und ich glaube, auf dem Rücksitz ...«
    »Ich gehe jetzt«, hatte er wiederholt und gesehen, wie
    sich in Pärssinens Gesicht die Überraschung ausgebrei-
    tet hatte, die er selbst empfand, die Überraschung über
    vollkommene Ruhe, die ihn umgab. Seine Reisetasche
    hing ganz leicht über seiner Schulter, die Sonne
    wärmte, und was Pärssinen sagte, hörte er kaum.
    »Ich gehe jetzt. Wir sehen uns nicht wieder«, hatte er
    gesagt und kurz Pärssinens halb geöffneten Mund be-
    trachtet, dann hatte er sich abgewendet und war zur
    Bushaltestelle gegangen. Nach wenigen Minuten war
    der Bus gekommen, er hatte eine Fahrkarte gekauft und
    sich in die letzte Bank gesetzt.
    Das graue Haus, das nichts mit ihm zu tun hatte, war
    schnell aus seinem Blickfeld verschwunden, der rote
    Kleinwagen war ihm, als der Bus auf die Landstraße
    einbog und noch einmal den Blick auf den Parkplatz
    freigab, wie ein Spielzeugauto erschienen.
    Pärssinen hatte er nie wieder gesehen.

    Dreiunddreißig Jahre danach

    JANUAR

    I

    Am Tag seiner Verabschiedung stand Ketola um sechs
    Uhr auf.
    Er duschte unter kaltem Wasser und zog sich an, was
    er am Vorabend neben seinem Bett zurechtgelegt hatte.
    Ein dunkelgrünes Jackett und die dazu passende
    schwarze Hose.
    Er aß zwei Scheiben Brot mit wenig Butter, las den
    Leitartikel der Tageszeitung, trank eine Tasse Kaffee,
    einen Schluck Wodka und ein Glas Wasser, um den
    Geschmack des Alkohols zu übertünchen.
    Er spülte das Glas und die Tasse ab, stellte beides zu-
    rück in den Geschirrschrank, legte die Zeitung zusam-
    men und saß anschließend fünf Minuten am Tisch, um
    durch das Dunkel hinter dem Küchenfenster die ver-
    schneiten Bäume im Nachbargarten zu betrachten.
    Nach Ablauf der fünf Minuten stand er auf, nahm
    seinen Mantel vom Kleiderhaken, zog ihn an und ging
    zu seinem Wagen. Das Auto stand unter einer Überda-
    chung, aber die vergangene Nacht war sehr kalt gewe-
    sen, die Scheiben waren vereist.
    Er kratzte das Eis von den Fenstern, stieg ein, schal-
    tete das Gebläse an und wartete eine Weile, bis ihm die
    Sicht klar genug erschien. Er steuerte den Wagen durch
    den dichten Schnee auf die Landstraße in Richtung
    Turku.
    Im Wagen breitete sich langsam Wärme aus, und
    Ketola begann, die Müdigkeit zu spüren. Er hatte die
    Nacht wach gelegen. Ab und an war er aufgestanden und
    hatte versucht, sich zu beschäftigen. Er hatte eine Weile
    in einem Buch gelesen, wusste aber nach einer gelesenen
    Seite nicht mehr, was auf dieser Seite gestanden hatte,
    er hatte den Fernseher ein- und wieder abgeschaltet und
    die letzten Stunden damit verbracht, an die Decke zu
    starren und auf den schrillen Ton des Weckers zu
    warten.
    Jetzt schaltete er den CD-Player an, um sich wachzu-
    halten, und wählte das Lied, das er in letzter Zeit immer
    mal wieder hörte, wenn er zur Arbeit fuhr, er hatte
    wenig Ahnung von Musik, aber dieses Stück gefiel ihm,
    ein Duett zweier Querflöten, dessen Komponisten er
    nicht kannte. Die

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