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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Zielgerade eingeschwenkt. Kitty und Kieran standen an der Begrenzung fast unterhalb der Tribüne. Kieran hatte fünf Euro auf Jackeen gesetzt drei gegen eins, auf den Jockey in Blau und Weiß, den die vermeintliche Brid mit ihren Reizen gepeinigt hatte. Kitty hatte einen Euro auf – wie konnte es anders sein – Pig-O’-My-Heart gesetzt zwanzig gegen eins. Der Jockey trug Seide in Pastellgrün, worauf riesige rosa Punkte gemalt waren, dadurch sah der Junge – der einzige pausbäckige Jockey in dem ganzen Rudel – wie ein anämischer Marienkäfer aus. Jackeen war noch am hinteren Ende der Strecke, aber Pig-O’-My-Heart hielt sich hartnäckig als Dritter im Feld. Jetzt holte das Pferd gewaltig aus und machte sich an Fisherman’s Folly heran. Kitty presste die Fäuste in die Wangen. Kieran, wieder ganz der mitfiebernde Partner, brüllte: »Pig! Pig! Pig!«
    Als die Pferde aufs Ziel zu galoppierten, setzte Kitty gerade zu einem Schrei an, da rutschte der pausbäckige Junge seitlich vom Sattel, nicht dass er herunterfiel, er hieltsich fest, so gut er konnte, riss den Kopf des Pferdes hoch und gab ihm somit das Zeichen, sich nicht weiter anzustrengen, denn das Rennen sei gelaufen. Für Kitty wie für Pig-O’-My-Heart und den pausbäckigen Jungen war damit alles gelaufen. Wer Erster wurde, war nicht länger von Interesse. Pig passierte die Ziellinie als Siebenter, immerhin noch ein ganzes Stück vor Jackeen. Der Junge hing parallel zum Boden, hielt aber den Kopf etwas höher, das rechte Bein hatte er in die Höhe gestreckt, wie um die Zuschauer auf der Tribüne zu grüßen, die in Jubel ausbrachen, wie sonst den ganzen Tag nicht.
    Jenseits der Rennbahn, im Schatten der Tribüne, stand Taddy und schaute verärgert auf das Ticket in der Hand. Vielleicht nicht genau Taddy, aber immerhin war er vorwiegend in Braun gekleidet: braune Kordhosen, ein brauner Sweater und als Zugeständnis an die heutige Zeit weiße Sneaker. Das Haar war nur ein bisschen kürzer, doch die Schultern waren sehr ähnlich, ebenmäßig und breit, und der Oberkörper verjüngte sich zu einer schmalen Taille. Die Hände hatten keinerlei Evolution erfahren. Jetzt zerrissen sie das Ticket und ließen die Schnipsel ins Grass flattern, und Kitty stellte fest, sie waren ungewaschen und schwielig, wohl von harter Arbeit, hatten sich ähnlich anstrengen müssen wie die Hände von Kittys visionärem Taddy. Als der junge Mann aufblickte, wanderte der Blick aus den braunen Augen nach links, unmittelbar an Kitty vorbei. Traurig sah er aus, und da war auch wieder diese Verwirrtheit. Er musste wohl ebenfalls auf Pig-O’-My-Heart gesetzt haben, und falls er nicht wusste, wer ihm das eingegeben hatte, Kitty wusste es.
    Oben auf der Burg hatte sich das Schwein Taddy als liebsten Begleiter erkoren. Und Taddy schien diese Ehre angenommen zu haben. Aus dem Turmfenster ihres Arbeitszimmers hatte sie des Öfteren das Schwein umherlaufensehen, die Schnauze tief im Gras. Wahrscheinlich hoffte es immer noch, so aussichtslos es auch war, dass der Ring, den man ihm eingezogen hatte, es nicht daran hindern würde, in Kerrys grünem und lieblichem Land die üblichen Verwüstungen anzurichten. Taddy stand derweil daneben und schaute zu, begleitete in leicht gebeugter Haltung interessiert die ersten Wühlversuche der Schnauze. Dabei machte er kleine ruckartige Bewegungen, hielt immer mal inne, drehte den Kopf dann zu einem anderen Punkt des hundertachtzig Grad weiten Halbkreises, als hielte er Wache gegen jedermann, der versuchte, die glücklosen Versuche des Schweins zu verlachen. Wenn niemand erschien, senkte Taddy wieder den Kopf, beruhigt, dass da niemand die Demütigung des Schweins bemerkt hatte, und dass er, Taddy, getreu wie er war, darüber wachen und niemandem gestatten würde, sich über das Schwein lustig zu machen.
    Bei anderen Gelegenheiten ergab es sich, dass er und das Schwein im Umfeld der Burg einfach umherwanderten. Dann ging Taddy voran, und das Schwein folgte ihm, ein Bild, mehr wie Hund und Herr als wie ein Schwein und ein Geist. Bei solchen Ausflügen hatte Taddy einen langsamen Schritt, schaute nicht auf den Boden, sondern blickte irgendwo in die Ferne. Als Ausgeschlossener hatte er möglicherweise eine Vision von der Welt, die man ihm vor langer, langer Zeit genommen hatte. So hilfsbedürftig wirkte er in seiner Verstörtheit, so gänzlich verloren in seinem Verlust, doch in jeder Bewegung so unschuldig und mannhaft, dass Kitty über die Tage und Wochen

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