Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Schlagen, Reiben, Rühren, Schneiden und Kneten – alle waren zum Erstaunen der Besucher und zum Entzücken von Kieran Sweeney in der geräumigen Küche rundum angeordnet. Ihm warzusammen mit der Einführung in die ehelichen Wonnen das bislang unvermutete Wissen zuteilgeworden, dass er ein hochbegabter Koch war, der teils instinktiv handelte, teils aus Erfahrung lernte. Das zeigte sich, nachdem Lolly – jetzt eine McCloud – in einem fehlgeleiteten Versuch, witzig zu sein, ihrer neuen Schwiegertante zur Hochzeit ein Kochbuch schenkte. Kitty, die diesen humorigen Einfall als völlig daneben empfand, wollte das Buch zusammen mit Unterwäsche der Marke »Victorias Geheimnis« und den gesammelten Werken von Doris Lessing schon wegwerfen. Doch Kieran, dem der Hochglanzdeckel des Buches gefiel, auf dem ein Schwein am Bratspieß dargestellt war, ging dazwischen und entwand den Band ihren Händen. Je länger er darin blätterte, desto mehr erschlossen sich ihm die bislang ungeahnten Möglichkeiten, seine Kochkünste zu verfeinern.
Lord Shaftoe und Mr. Skiddings allerdings mussten sich mit Tee und Keksen begnügen, die seit wer weiß wann auf dem Boden einer Blechbüchse lagerten. Während Kitty mit dem Kessel, der Teekanne, dem Milchkännchen, der Zuckerdose und dem Teller hart gewordener Kekse hantierte – einer Sorte, deren Buttergehalt man nur unzulänglich traute und in die man deshalb, um sie marktreif zu machen, wie Hasenkötel aussehende Schokotröpfchen eingeschlossen hatte –, fühlten sich Seine Lordschaft und sein Leibarchitekt, nachdem sie sich damit abgefunden hatten, in die Küche verwiesen zu werden, bemüßigt, ihrer Verwunderung Ausdruck zu geben und zu loben, was sich ihren Augen darbot. Mr. Skiddings interessierten vor allem die verschiedenen Vorrichtungen und Geräte, und ohne um Erlaubnis zu fragen, öffnete und schloss er Türen, stellte etliche der Maschinen an und aus – freilich ohne Wirkung, da ja ein Generator fehlte –, bis der Strom wunderbarerweise wieder da war, wodurch ein leicht erregbarerGemüseschnitzler plötzlich in Bewegung geriet. Der arme Mann erlitt beinahe einen Herzinfarkt. Doch kaum hatte er sich von dem Schrecken erholt, fuhr er fort, wenngleich nun mit gebührender Vorsicht, die übrigen Töpfe und Tiegel sowie Schränke und Schubladen zu inspizieren.
Um ihn zurück an den Tisch zu locken und seinem Eindringen in die Privatsphäre von Kierans Küche ein Ende zu setzen, sagte Kitty: »Bedienen Sie sich mit Milch und Zucker. Ich nehme weder das eine noch das andere und verstehe mich deshalb nicht so aufs Servieren. Und Kekse sind auch noch da.«
»Oh«, tönte Seine Lordschaft, »heißt das, ich soll mich selber bedienen?«
»Versuchen Sie es nur«, sagte Kitty »Und lassen Sie sich überraschen.«
»Kommen Sie, Mr. Skiddings, die Kekse hier werden kaum länger auf uns warten.«
Der Architekt ließ davon ab, Kierans Messer zu begutachten – eine Begutachtung, die vor allem darin bestanden hatte, in den blinkenden Klingen sein Spiegelbild zu betrachten, sein Profil, sein vorspringendes Kinn und schließlich Belag und Farbe der Zunge. Er kam an den Tisch zurück, doch mit den Augen konnte er sich nicht von den Wundern der Einrichtung trennen, die er erblickte. Seiner Lordschaft fiel es ebenfalls schwer, sich auf den Imbiss zu konzentrieren, den Kitty mit so viel Umsicht bereitet hatte. Auch er schaute sich um und schien alles nur allzu auffällig zu billigen. Um im Keim zu ersticken, was beide Gäste bei sich dachten, sagte Kitty: »Sie müssen sich keine Sorgen machen. All das hier wird entfernt, nichts von alledem wird Ihren Plänen im Wege stehen, die, wie ich sicher bin, unsere armseligen Bemühungen in den Schatten stellen werden.«
Der Lord, nicht daran gewöhnt, Enttäuschungen zu verbergen, reagierte nur mit einem »Oh?« Mr. Skiddings brauchte eine Weile, ehe ihm aufging, was er eben gehört hatte, nahm verstört einen weiteren Löffel Zucker für seinen Tee, rührte den Tee um, legte den Löffel beiseite und starrte in die Tasse. Kitty war mit der Wirkung ihrer Worte so zufrieden, dass sie noch hinzufügte: »Sie können sich darauf verlassen, wir werden Ihnen das ganze Zeug aus dem Weg schaffen. Wie ich gesagt habe, wir wollen die Übergabe für jeden von uns so angenehm und unkompliziert wie möglich machen. Und das kommt gewiss auch Ihnen entgegen, Mr. Skiddings.«
Er nahm seine Tasse auf, setzte sie an die Unterlippe, stellte sie wieder ab und erwiderte:
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