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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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»Ja, wird es wohl.«
    Lord Shaftoe blickte zum Architekten und schlug ihm vor: »Da wir schon so grässliche Unannehmlichkeiten auf uns genommen haben, sollten wir die Gelegenheit nutzen, dass Sie sich einen ersten Überblick über das Anwesen verschaffen. Wir könnten dann auf der Rückfahrt die sich bietenden Möglichkeiten erörtern.«
    Kitty mimte die perfekte Gastgeberin, lächelte und sagte: »Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Ich habe die Burg nicht für Besucher hergerichtet – schon gar nicht für so bedeutende Besucher wie Sie.«
    Der Lord, dem eine liebenswürdige Umgangsart abging, entgegnete: »Wir sind doch wohl alles andere als Besucher.«
    Kittys Lächeln blieb unverändert, wenngleich sie das Kinn hob. »In Anbetracht des kürzlich ergangenen Gerichtsbeschlusses sind Sie hier bis zum festgesetzten Termin ›Besucher‹. Möchten Sie noch etwas Tee?« Ohne auf eine Antwort zu warten, fügte sie hinzu: »Oh, der Regen hat aufgehört. Oder er hat sich, wenn mein Gehör mich nicht trügt, in einen gewöhnlichen Nieselregen verwandelt,der Männern, die so robust und kernig wie Sie sind, kaum etwas anhaben dürfte.«
    Seine Lordschaft hatte zweimal vom Tee genippt, Mr. Skkiddings überhaupt nicht. Kitty hatte ihre Tasse geleert und einen der Kekse genossen, soweit man die genießen konnte. »Es könnte aber jeden Moment von neuem losgehen, und ich kann mir vorstellen, Sie möchten den Weg hinunter zu Ihrem Wagen nicht unbedingt in einem Wolkenbruch zurücklegen.« Sie hielt ihnen den Teller mit den Keksen hin. »Möchten Sie noch einen mitnehmen? Als Stärkung auf Ihrer Reise?«
    Mr. Skiddings Hand zuckte bereits, doch bei dem missbilligenden Blick Seiner Lordschaft lenkte er sie in eine andere Richtung, nämlich neben die noch volle Tasse.
    Der Lord erhob sich, berührte die Senke zwischen Lippen und Kinn und verbeugte sich zur Gastgeberin. »Wir müssen Sie bitten, uns zu entschuldigen. Sie waren ungemein freundlich, aber wir müssen uns nun wirklich auf den Weg machen. Der Sturm hat sich zu unseren Gunsten gelegt, und wir wären mehr als undankbar, wollten wir Ihre Erwägungen unbeachtet lassen. Nicht wahr, Mr. Skiddings?«
    Der Architekt stand derart ungestüm auf, dass er beinahe den Stuhl umwarf. Auch der Tisch bekam seinen Eifer, der Aufforderung Seiner Lordschaft nachzukommen, zu spüren – mit der rechten Hand, die er so verschlagen neben die Teetasse gelegt hatte, stieß er gegen die Untertasse, so dass Tee auf den Keksteller schwappte. Damit war die Knusprigkeit der Kekse, die sie ungezählten Tagen und Nächten in einer Blechdose verdankten, für immer dahin. Er wollte schon zu einer Entschuldigung ansetzen, beschloss aber, nicht weitere Aufmerksamkeit auf sein Missgeschick zu lenken, und fragte einfach: »Ob ich wohl Ihre Toilette benutzen könnte?«
    Dass er das konnte, bezweifelte Kitty nicht. Doch sie war sich nicht so sicher, ob sie auch willens war, ihm das zu gestatten. Sie befleißigte sich immer noch eines Lächelns, schon war sie versucht, dem Mann zu sagen, dass in dem Zustand, in dem er sich ohnehin befand – nass bis auf die Knochen –, niemand Anstoß daran nehmen würde, wenn er selbst noch einen Beitrag zur Nässe seiner Kleidung lieferte. Doch dann bemerkte sie, dass der arme Mann wirklich in Bedrängnis war. Ihr fiel auch jetzt erst auf, dass der Mensch reichlich gewöhnlich aussah. Im Stillen fand sie sogar, »hässlich wie die Sünde«. Genau besehen bildeten die Runzeln und Falten in seinem Gesicht ein Muster von immer kleiner werdenden Kreisen, je näher sie Mund und Nase kamen. Die Nase selbst gab einen annehmbaren Mittelpunkt der sie umgebenden konzentrischen Kreise ab. Dass die Augen grau waren, half auch nicht viel. Eher schloss Kitty daraus, der Mann sei farbenblind. Sein Haar bestand aus unregelmäßig auf dem Schädel verteilten Büscheln, die einen an Transplantate denken ließen, hätte das den Spender nicht so augenfällig diskreditiert. Die Ohren waren zwar ganz nett an den Kopf gepinnt, nur sprossen auch dort aus Gehörgang und Ohrläppchen Haare. Ob es an seiner Haltung oder einer genetischen Fehlplanung lag oder an beiden, war unklar, jedenfalls hatte er eine merkwürdige Figur, und sein maßgeschneiderter Anzug – besonders im gegenwärtig ruinösen Zustand – konnte die traurige und ins Auge springende Tatsache nicht verbergen. Auf eine gewisse Art war der Mann perfekt geformt, nur war die Perfektion die einer perfekt geformten, reifen

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