Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
einer Kugel und sein Aufschlag auf ihrer Seite des Netzes schwer zu parieren. Wenn aber der Ball über den Kopf seiner Frau hinweg hinten gegen die Wand prallte, ließ Kieran seiner Begeisterung freien Lauf.
Kitty störte das alles nicht. Bei anderen Gelegenheiten war seine Stärke eine Quelle ihres Stolzes, und es wäre undankbar gewesen, ausgerechnet in solchen Momenten mangelnder Zurücknahme wider den Stachel zu löcken. Auch suchte sie nicht Zuflucht bei dem für Verlierer empfohlenen Spruch: Es ist ja nur ein Spiel. Für sie galt: Man spielt, um zu gewinnen. Eine Niederlage musste man einstecken können; Trost suchen zu wollen, war nur zusätzlich demütigend.
Ein fairer Gegner war sie nicht. Ihr Kampfgeist lag selten brach. Hätte sie über ebensolche Kraft wie der von ihr geliebte Mann verfügt, hätte sie mit Freuden den Tischtennisball wie die Schale eines frisch gelegten Eies platt gemacht. Und doch nahm sie – entgegen ihrer Natur – hin, dass Kieran die Punktzahl zu seinen Gunsten erhöhte, auf ihre Kosten triumphierte, und akzeptierte den unbestreitbaren Vorteil seines kräftigen rechten Arms. Nach außen hin übte sie sich in Gleichmut, aber was sie wirklich dachte, behielt sie für sich.
Das Verhältnis von Ball und Schläger, das Zusammenspiel von Arm und Auge, beide unverzichtbar für die Reaktiondes Gehirns, die Koordination all dieser Elemente – jeder Aspekt des Spiels wurde genau von ihr beobachtet, minutiös analysiert und ständig nachvollzogen. Auch kam ihr zugute, dass sie sich blendend konzentrieren konnte. Langsam, aber sicher – fast unmerklich – wurde ihr Spiel besser. Die Punkte, die ihr Mann mit seinen erbarmungslosen Schlägen sammelte, waren nicht mehr in der Überzahl. Bald wurden es immer weniger. Als Kitty das erste Mal gewann, jubelte Kieran. Als sie weiterhin gewann, erst zwei von fünf Spielen, dann drei von fünf, war er stolz auf seine Frau – wenngleich ihn das, was er für ein unerklärliches Nachlassen seiner Kräfte hielt, irritierte.
Dann machte er sich – mehr unbewusst – die Methode zu eigen, die seine Frau längst befolgt hatte. Auch er achtete auf die Feinheiten, die das Spiel bot und die er bislang in seiner draufgängerischen Art ignoriert hatte: wie man dem Ball den richtigen Drall gab, wie man den Schläger im richtigen Moment verkantete, nicht zu vergessen die Drehung des Handgelenks, um noch mehr Effet in den Ball zu bekommen, und auch ein scharfes Auge war vonnöten, um reflexartig reagieren zu können. Das Angenehmste an der Sache aber war, mit feinem Spürsinn die Frau ihm gegenüber zu beobachten, ihre Taktik, ihre blitzschnellen Entscheidungen, ihr schlaues Reagieren auf jede seiner Bewegungen, ihre unerbittliche Hartnäckigkeit, ihm zu zeigen, mit wem er sich eingelassen hatte.
Außer dem Vergnügen, das es ihnen zweifellos bereitete, diente das Spiel noch einem anderen Zweck. Je nachdem, wie es der Wettkampf hergab, mal im Sinne eines Kontrapunktes, mal im Einklang mit dem Rhythmus der Bewegungen, nutzte das Paar die gemeinsame Zeit zum Gedankenaustausch, und der konnte verschiedene Formen annehmen – Beweisführung, Rechtfertigung, Streitgespräch, halsstarriges Beharren. Im Allgemeinen war dieZeit ihrer Zweisamkeit begrenzt – Kitty saß am Computer oder machte sich im Garten nützlich, Kieran in der Küche, nicht zu vergessen seine Arbeit mit den Kühen, im Obstgarten und auf dem Acker. Wenn man aber nach den Schlägern griff und den Ball in Bewegung setzte, konnte man sich in Ruhe unterhalten, und Wagnisse von großem Wurf und Schwung 3 zur Sprache bringen, ohne Gefahr zu laufen, dass der eine den anderen wütend stehenließ.
Bei einem der vorangegangenen Spiele im Sommer hatte Kitty ihren Mann darüber informiert, dass ihnen die Burg vielleicht nicht mehr lange gehören würde, und er hatte selbst bei einer so fatalen Nachricht das Match nicht unterbrochen, sich weiter auf den Ball konzentriert, wie seine Frau auch. Ab und an kam es zu einer kurzen Verzögerung beim Parieren, um eine Frage stellen zu können, nicht aber beim Antworten. Schließlich waren sie dann doch nur noch halbherzig bei der Sache, ihr Elan litt bei dem Gedanken, das Dach über dem Kopf, den Boden unter den Füßen zu verlieren, wie überhaupt jeden liebgewonnenen Stein der Burg. Einmal hatte Kieran den Ball absichtlich sacht übers Netz geschickt, um Kitty die Gelegenheit für eine wirkungsvolle Rückhand zu ermöglichen – ein Versuch, sie aufzuheitern,
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