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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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beeindrucken, der ihre während des Aufenthalts in der Burg getrocknete Kleidung erneut durchnässte. Kitty schaute ihnen nach, ihre Geduld und ihr Seelenfrieden überstanden auch diese Unhöflichkeit wie andere von der Aristokratie bekannte Ungezogenheiten. Seine Lordschaft redete weiter; Mr. Skiddings hörte weiter zu, ein Kopfnicken war sein einziger Beitrag zu dieser höchst zivilisierten Errungenschaft der Menschheit: der Konversation.
    Der Regen hatte sich mittlerweile des größten Teils seiner überreichen Gaben entledigt, so dass Kitty die Kühe und das Schwein wieder an die frisch gewaschene Luft treiben konnte. Sie ging rückwärts, wollte die Kühe herauslocken, hielt an der Schwelle kurz an, machte noch einen Schritt nach draußen in den Nieselregen und den aufsteigenden Nebel. Ihr Blick war in die Große Halle gerichtet, auf die sich hin und her bewegenden Kühe, die muhten und unruhig auf den Steinplatten scharrten, die mit den Schwänzenschlugen und deren Euter mit gewichtiger Bedächtigkeit hin und her schwangen. Sie gab sich einen Ruck, zwang sich, die Augen zu heben und nach oben zu schauen, um noch einmal das zu sehen, was sie bereits gesehen hatte. Vom Eisenring des mit Kerzen bestückten Kronleuchters hingen die jungen, hübschen Leichname von Brid und Taddy. Ihre schmuddligen Füße, in Kittys Wahrnehmung zart und feingliedrig, waren nach unten gestreckt, die Zehen wiesen in die dunkler werdenden Ecken der Halle. Da waren die groben Stricke, die sich in ihre schlanken Hälse schnitten, die Augen quollen vor Entsetzen über das ihnen Angetane heraus, die geschwollenen Zungen hingen seitlich aus den angstvoll geweiteten Mündern, Zungen, die nie wieder sprechen, nie die Geschichte ihrer erlittenen Leiden erzählen würden. Langsam drehten sich die Körper, blickten noch einmal in der Halle umher, ohne die Kühe und das gleichgültige Schwein zu beachten, die teilnahmslos schissen und pissten und die es nicht rührte, dass so viel jugendliche Herrlichkeit vom Antlitz der Erde getilgt war.
    Sie waren nur Schatten, das wusste Kitty sehr wohl. Dennoch konnte man sie nicht dort baumeln lassen, so entstellt, stumm, blind, mit schmutzverkrusteten Füßen, die mal gegen den Kopf der einen Kuh, mal gegen die Ohren einer anderen strichen. Sie wollte schon flehentlich darum bitten, dass sie verschwänden, sich in die schattigen Winkel der Burgräume zurückzögen oder sich wieder zu Harfe und Webstuhl im Turm oben begäben. Doch sie unterließ es. Sie wollte im sanft fallenden Regen stehen bleiben, im von der Erde aufsteigenden Nebel. Ihre Augen sollten nichts anderes sehen als diese beiden Geister. Sie wollte Wache halten, bis sie sich in Nichts auflösten, ihr aus dem Blick schwanden, bis sie aus der Henkerschlinge freikamen, wieder nach Belieben in der Burg, über dieWeidegründe, die Hügel, die mit Steinen übersäten Äcker wandern konnten. Selbst wenn sie dort hingen bis zum letzten von Kittys Tagen, würde sie nicht von der Stelle weichen, wo sie jetzt stand. Sie würde die Ärmsten nicht alleinlassen in ihrem Grauen und ihrer Todesangst.
    Der Regen, der immer noch sanft fiel, verschleierte ihr die Augen, und der Nebel zog durch die geöffneten Türen in die Große Halle. Kitty bewegte sich nicht. Es sollte geschehen, was geschehen sollte. Unmerklich fiel der Regen, nahm ihr die Sicht. Noch sah sie die Gestalten, doch der Nebel wurde dichter. Sie wusste, wessen Gegenwart verschuldet hatte, dass sie dort hingen. Es konnte nicht sein, dass sie für alle Ewigkeit zu diesem Horror verdammt waren, schließlich und endlich musste ihnen Frieden gewährt werden. Sie mussten erlöst und freigegeben werden, um wieder zueinanderzufinden. Was getan werden musste, das sollte getan werden. Das schwor sie sich, und es würde vollbracht werden, oder sie wäre nicht die, die sie war.
    Mit einem Mal teilten sich die Nebel, der Regen ließ nach. Brid und Taddy waren verschwunden, waren nirgendwo mehr zu sehen. Kitty schaute noch einmal hoch zum schmiedeeisernen Ring. Sie klatschte dabei den Kühen auf die Flanken. »Bewegt euch!«, sagte sie. »Mach schon. Ja, dich meine ich. Raus mit euch. Bewegt euch!«

Kapitel 10
     
    Beim Tischtennisspielen waren Kitty und Kieran in ihren ersten Tagen und Wochen auf der Burg weniger gute Partner. Keiner von beiden konnte sich richtig zügeln, und Kieran hatte einfach den härteren Schlag, den Kitty nicht erwidern konnte. Die Geschwindigkeit des Balls war bei ihm größer als die

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