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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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griff hinein und fischte – wie er wusste – einen frischen Schinken heraus, fein säuberlich verpackt in der
Irish Times
vom Vortag. Er war als Dankeschön (mehr als Bestechung) für Kitty und Kieran gedacht, weil sie sie von dem unmöglichen Schwein befreiten.
    »Hier ist der versprochene Schinken«, rief sie laut, obwohl sie sich die Erklärung hätte sparen können. Die Ankunft des Mannesschien sie zu verwirren, und das war nur allzu verständlich. Selbst Aaron, der Declan Tovey nie gesehen hatte, stellte eine Ähnlichkeit mit der ihm oft beschriebenen Person fest. Lolly schwenkte den Schinken wie einen Golfschläger durch die Luft und verstieg sich zu weiteren Erklärungen. »Ich packe ihn in deine Küche oder besser deine Spülküche.« Sie rannte zur Tür, die in die Halle führte, verschwand drinnen und ließ die Tür hinter sich offen.
    Im ersten Moment empfand es Aaron als seine Pflicht, sich um seine Frau zu kümmern. Er würde ihr geduldig auseinandersetzen müssen, worum es in Wirklichkeit ging, und gewiss würde sie ihm dankbar sein, dass er sie von ihrem Irrtum befreite. Doch dann überwog die Neugier. Bevor er zu seiner Frau ging, wollte er sich genauer informieren, um die Sache ein für alle Mal zu klären. Es konnte sich nur um einen Verwandten von Tovey handeln, der jüngst in den Landstrich hier gekommen war. Oder noch wahrscheinlicher, um einen Mann mit den gleichen Erbfaktoren wie der Verblichene – eine Möglichkeit, die er schon früher einmal erwogen hatte. Lolly würde sich ganz gegen ihre Gewohnheit schämen und zerknirscht sein, dass sie sich eingebildet hatte, von einem auferstandenen Toten besucht zu werden, einem Geist, der zu ungeduldig war, bis zum Jüngsten Gericht zu warten.
    Entschlossenen Schrittes ging Aaron näher. Der Mann hatte Kitty das Buch überreicht. Sie hielt es in der Hand, starrte es an, dann den Mann und wieder das Buch. Sie ließ die Hand mit dem Buch sinken. Offensichtlich kannte sie den Mann und der sie – sonst hätte er ihr ja nicht das Buch gebracht. Das zeugte von einer gewissen Vertraulichkeit, wäre zwischen zwei Fremden nicht möglich gewesen.
    Der Mann sprach Irisch, wie es im westlichen Kerry üblich war. Kitty antwortete auf Irisch. Aaron wusste, dass es die Höflichkeit in Kerry gebot, in Gegenwart einer Person, die des Irischen nicht mächtig war, Englisch zu sprechen, und so ging er auf den Mann und seine Tante zu.
    Sie sprachen weiter – auf Irisch. Aaron, der kein Faible für Sprachen hatte und schon gar nicht für so eine schwierige wie Irisch, wo Schreibung und Aussprache in völligem Gegensatz zueinander standen und dem Lautlichen, auf das in der Schule so viel Wert gelegt worden war, keinerlei Beachtung geschenkt wurde, bekam wenig von dem mit, was gesprochen wurde. Dabei hatte seine Frau seit ihrem gemeinsamen Eintritt in die eheliche Glückseligkeit – und das war jetzt ein Jahr her – wiederholt versucht, ihm die Sprache beizubringen, der er eigentlich verpflichtet war, denn sowohl sein Vater kam aus Kerry als auch seine Mutter. Immerhin glaubte er so viel zu verstehen, dass das Buch an Land geschwemmt worden war und offensichtlich aus dem im Meer versunkenen McCloud-Haus stammte, aber mehr konnte er dem Gespräch nicht entnehmen. Der Mann ging scheinbar davon aus, dass Aaron in Kerry geboren und aufgewachsen war. Aaron erwartete von seiner Tante, dass sie die Sache richtigstellen würde, doch die Gegenwart des Mannes schien sie aus dem Gleichgewicht zu bringen; sie machte einen irgendwie verstörten Eindruck und kam gar nicht auf die Idee, für Aaron ein vermittelndes Wort einzulegen. Ihre sonst so sprudelnde Redeweise hatte merkwürdig gelitten, war mehr ein Stammeln, begleitet von albernen Lachern. Diese Zweitausgabe von Declan Tovey schien sie zu irritieren, Aaron durfte sie nicht überfordern.
    Aaron wartete eine Weile. Als sich aber nicht, wie er gehofft hatte, die allgemein übliche Höflichkeit einstellte, ergriff er die Initiative, streckte die Hand aus und stellte sich auf Englisch vor. »Ich bin Aaron, Kittys Neffe, Lollys Mann.« Der Fremde sah ihn nur flüchtig an und sprach weiter – auf Irisch. Aaron gehörte nicht zu denen, die mit Bewegungen verschwenderisch umgingen, also hob er die noch ausgestreckte Hand und kratzte sich an der Stirn.
    Was ihm nicht vergönnt gewesen war – die Aufmerksamkeit seiner Tante und des Besuchers auf sich zu ziehen –, gelang dem Schwein. Es stand immer noch wie angewurzelt vor dem

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