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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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zurücklassen.«
    »Haben wir das denn wirklich vor?«
    »Wir tun nur so. Du weißt doch hoffentlich, wie man so tut als ob.«
    »Ich denke schon.«
    »Dann los.«
    Mit einer Lässigkeit, die selbst einem Schwein unnatürlich erscheinen musste, schaute Aaron mal nach rechts, mal nach links, schließlich hoch zum Himmel.
    »Du tust nicht so als ob. Du schauspielerst. Du musst ihm die Sache als echt vorgaukeln. Schweine sind nicht dumm.«
    Er entschied sich, gar nichts zu tun, das lag ihm ohnehin am meisten. Das Schwein betrat zögernd die auf der Erde liegende Rampe, trottete bis zum Wagenende und grunzte leise. »Reagiere nicht«, murmelte Lolly. »Lass es noch ein Weilchen betteln, wir müssen erst ganz sicher sein, dass es begriffen hat, worum es geht.«
    Krampfhaft bemüht, sich aller Gedanken, die auf ihn einstürmten, zu erwehren, stand Aaron neben seiner Frau; nichts durfte ihn jetzt ablenken, damit er sich ja nicht rührte, etwa den Fuß bewegte oder den Nacken streckte. Es fiel ihm schwer, sich auf Befehl so und nicht anders zu verhalten.
    Nachdem das Schwein dreimal leise gegrunzt hatte, zeigte Lolly Erbarmen, entriegelte die Ladeklappe, sprang hinunter, legte die Rampe an und sah befriedigt zu, wie das Schwein nach oben trottete. Es ging sogleich zu Aaron und rieb seine mit einem Ring versehene Schnauze an seinem Hosenbein. »Du musst jetzt da oben bei ihm bleiben, nicht, dass es denkt, wir hätten es ausgetrickst«, erklärte Lolly. Sie schob die Rampe hoch, wies Aaronan, die Ladeklappe festzumachen, ging um den Wagen herum und kletterte in die Fahrerkabine. Mit einem fröhlichen Grinsen winkte sie ihm durch den Rückspiegel zu, pochte noch zweimal an die Rückwand der Fahrerkabine und fuhr los mit Kurs auf die Burg Kissane.
     
    Bislang waren Lolly und Aaron nicht dahintergekommen, wie man mit dem Schwein umgehen sollte. Es wurde von krampfartigen Anfällen heimgesucht, sie hatten eigens einen Tierarzt gerufen, aber auch der konnte nichts Absonderliches feststellen. Verschiedene Tests bestätigten seine Diagnose. Es fand sich keine Erklärung für das periodisch auftauchende Schreien und Quieken. Und wenn es dann auch noch mit seinem gewaltigen Kopf gegen die Zäune des Schweineauslaufs rammte und verzweifelt darum kämpfte, freigelassen zu werden, hatte man Angst, es könnte ernstlich zu Schaden kommen, von dem Pferch ganz abgesehen. Hinzu kam, dass es mit gen Himmel gerichteter Schnauze erbärmlich quiekte, sodass sich kein anderes Schwein in seine Nähe wagte. Auf diese Weise schaffte es um sich herum eine unsichtbare Barriere, die sich keins der übrigen Schweine zu übertreten traute. Wenn es zwischendurch mal Ruhe gab, geschah das eher aus Erschöpfung, als dass es einen Zustand der Friedfertigkeit erreichte.
    So konnte es einfach nicht weitergehen. Das Schwein versetzte die ganze Herde in Aufruhr. Die anderen Schweine fraßen kaum noch. Auch hierfür hatte der Tierarzt nur ein ratloses Kopfschütteln. Wenn ein Schwein aber nicht frisst, setzt es keinen Speck an. Und wenn es keinen Speck ansetzt, hat es keine Daseinsberechtigung. Der Natur schwebte kein schlankes und mageres Schwein vor, als sich die Spezies im Laufe der Zeit zu der heute bevorzugten Daseinsform entwickelte: dreckig und speckig. Schlank und zum Hätscheln schön war keine erstrebenswerte Alternative.
    Eine Isolierung des Schweins führte zu nichts. Die Ausmaße des Anwesens waren begrenzt, es fand sich kein Platz, wo mandas Tier außer Hörweite hätte unterbringen können, damit nicht nur die Herde, sondern auch Lolly und Aaron – nicht zu vergessen die Nachbarn – Ruhe hatten. Blieb als einzige Lösung: Schlachten. Nur war dieses Schwein schon einmal zu einem derartigen Schicksal vorgesehen gewesen. Säuberlich ausgenommen, aufgespießt und über glühenden Torfsoden gebraten hatte es den Festschmaus einer lokalen Feier krönen sollen. Aarons Tanty Kitty und ihr Mann hatten die ganze Gemeinde geladen, weil die Burg Kissane in ihren Besitz übergegangen war, ein bemerkenswertes Stück Grund und Boden, wenn auch nicht von großherrschaftlicher Ausdehnung. Doch eine Burg bleibt eine Burg, und diese hatte zudem ein feuchtes Verließ und eine Große Halle mit einem schmiedeeisernen Kronleuchter, auf dem hundert Kerzen Platz fanden.
    Das auserwählte Schwein, leicht zu erkennen an seinem schielenden Blick – eben das Schwein, das jetzt wieder auf die Burg Kissane geschafft werden sollte –, entging seinem Schicksal infolge einer

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