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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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nicht vorgesehenen Last-minute-Verwechslung. Statt seiner landete ein anderes Schwein auf dem Rost. Da das tatsächlich geopferte Tier so etwas wie eine besondere Geschichte hatte, wozu sein Ausbuddeln eines Skeletts gehörte, was letztlich zu den Eheschließungen von Kitty und Kieran, Lolly und Aaron geführt hatte, war man dem überlebenden Schwein nicht gerade freundlich gesonnen. (Dass Kitty ihren Teil zu der Verwechslung beigetragen hatte, komplizierte die Stimmungslage). So kam es, dass das Tier wieder bei Lolly und Aaron landete.
    Das Schwein, das jetzt auf dem Laster zur Burg Kissane transportiert wurde, war aber längst nicht mehr das, was es einmal war, als man es zum Festbraten auserkoren hatte. Damals war es rund und fett und glich einer prall gestopften Wurst, wie man sie aus den weniger edlen Teilen geschlachteter Schweine gewinnt. Mit seiner lebhaften Art kam man gut zurecht, von Widerborstigkeit keine Spur. Jetzt aber war es der reinste Ausbund, wehrte sich gegen alles, und niemand wusste, weshalb es sich so empörte. (Als einzig möglicher Grund konnte vielleicht seinMissfallen gelten, dass man ihm die Ehre verwehrt hatte, am Spieß gegrillt, als saftiger Braten serviert und von hungrigen Gästen erbarmungslos verspeist zu werden.)
    Sicher hätte man Verständnis für ein solches Aufbegehren gehabt, aber das Schwein machte seinem Unmut derartübertrieben Luft, dass es sich jedes Mitgefühl verscherzte. Irgendwie musste man das Vieh zur Ruhe kriegen, oder aber man brachte es zum Metzger, gemästet oder nicht. Oder noch schlimmer, man verkaufte es an die Intensivhaltung – ein solches Schicksal aber kam in Lollys Augen für ein irisches Schwein nicht in Frage. Ihre Tiere waren die Nutznießer von Lollys Besessenheit von ihrem Beruf. Sie war Schweinehirtin aus freien Stücken, war es und wollte es bleiben, selbst wenn sie in ganz Irland die letzte eigenständige Schweinehirtin sein würde. Sie war entschlossen, ihrer Berufung treu zu bleiben. Ihre Familie blickte auf eine lange Tradition des Schweinehütens zurück, die bis in die Tage von Queen Maeve zurückreichte. Niemals würde sie eins ihrer Schweine irgendwo hingeben, wo es auf engem Raum mit anderen zusammengepfercht war, mechanisch gefüttert wurde, nie einen freundschaftlichen Klaps, nie einen harmlosen Tritt mit einem mistigen Stiefel bekam. Dann schon lieber das Schlachthaus.
    Doch ehe Lolly laut sagen konnte, was sie dachte – und sie hätte es nie mehr zurücknehmen können, denn sie änderte ihre Meinung nie, hielt an ihr fest –, war ihr amerikanischer Mann mit einem Vorschlag gekommen. Sie würden das Tier wieder zu Kitty und Kieran bringen. Schließlich waren sie für seine gegenwärtige Pein verantwortlich. Auf der Burg Kissane war die tragische Verwechslung geschehen. Es war nur fair, wenn sie auch die Folgen ihres Irrtums trugen. Sollten sie sich doch die Nacht um die Ohren schlagen, das pausenlose Gequieke ertragen, sich etwas zur Beruhigung des Tieres einfallen lassen. Und wenn sie es nicht mästen wollten, dann wäre es ihre Entscheidung, wie weiter, und nicht Lollys oder Aarons. Sie wollten sich nicht mit einem schlechten Gewissen plagen.
     
    Als sie mit dem Laster auf der Burg eintrafen, jätete Kitty gerade auf dem Gemüsebeet nahe der Einfahrt Unkraut. Das Gefährt kam zum Stehen, Aarons Tante ließ von ihrer Arbeit ab und wischte sich die schmutzigen Hände an den verschossenen Jeans. Als sie auf der Ladefläche Aaron und das Schwein erblickte, rief sie: »Wer von euch beiden gedenkt hierzubleiben? Der Mann oder das Schwein?«
    Lolly kletterte aus der Fahrerkabine. »Du hast die Wahl.«
    »Der Mann ist mir zu mager. Ich nehme das fettere Schwein, auch wenn es nicht mehr so wohl genährt aussieht wie früher.«
    Aaron, von Geburt Amerikaner und immer noch nicht recht an den irischen Umgangston gewöhnt, stöhnte bei ihrer Antwort, die er als typischen Humor Kerrys hinnehmen musste, nur leicht auf. Er entriegelte die Ladeklappe und schob die Rampe in die entsprechende Position. Dann machte er den Fehler, dass er dem Schwein den obligatorischen Klaps gab, woraufhin das ohrenbetäubende Lamentieren erneut losging. Auch die schon bekannte Weigerung, sich vom Fleck zu rühren, war wieder da, nur entschieden vehementer als zuvor. Es stemmte sich mit aller Macht auf die Ladefläche und trotzte jedem Versuch, es fortbewegen zu wollen.
    Also war es Aaron allein, der die Rampe benutzte. Er ging auf seine Tante zu und versuchte mit

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