Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
zu essen mit. Besten Dank, wirklich, auch an Kieran.«
»Tja, wenn du dich nicht überreden lässt …«
»Nein. Aber wie gesagt, besten Dank.« Er verzog sich in den letzten Schuppen.
Zu Kittys Verwunderung stand plötzlich Peter McCloskey neben ihr. »Ich wollte nur fragen, ob Sie ihn gefragt haben«, erklärte er und rieb sich mit der Schuhspitze am linken Knöchel.
»Peter, wieso bist du nicht in der Schule?«
»Wissen Sie denn nicht, dass wir Sommerferien haben?« Er gluckste vergnügt. »Aber haben Sie ihn gefragt?«
Kitty hielt nach einer geeigneten Stelle Ausschau, wo sie die Suppenschüssel abstellen konnte. Da sich nichts Passendes bot, drückte sie sie Peter in die Hände. »Hier. Iss.«
»Aber ich werde doch zu Hause zum Essen erwartet.«
»Da du nun einmal hier bist, betrachte die Suppe als ersten Gang.«
»Sie soll wirklich für mich sein? Haben Sie denn gewusst, dass ich kommen würde?«
Kitty war versucht, ihn daran zu erinnern, dass er derjenige mit hellseherischen Kräften war, nicht sie, ließ es aber. »Ja, ich wusste es. Nun geh schon und setz dich dort drüben auf die Steine und iss.«
»Mutter hat gesagt, Sie wüssten …«
»Komm mir jetzt nicht damit. Geh und iss, ehe die Suppe kalt wird. Sei ein braver Junge.«
»Und Sie haben ihn nicht gefragt?«
»Ich hab’s schlichtweg vergessen. Ich mach es gleich. Geh und iss.«
Peter gehorchte, ging zur Steinmauer, kletterte hinauf, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten, und setzte sich, um den ersten Gang seines Mittagsmahls zu verspeisen. Kitty ging zu Declan. Er stand vor einer Hilfskonstruktion, die er gebaut hatte. Man hatte weder den Eindruck, dass er das Werk mit Befriedigung betrachtete, noch, dass er dabei war, den nächsten Schritt zu überlegen. »Peter McCloskey möchte gern, dass du ihm das Dachdecken mit Schilfrohr beibringst«, sagte sie. »Ich sollte dich schon längst fragen, hab’s aber vergessen. Er meint es wirklich ernst. Es wäre eine Sünde, ihn zu enttäuschen. Er ist ein lieber Junge, und du brauchst ohnehin Hilfe. Er erwartet keine Entlohnung. Und zum Essen geht er nach Hause. Oder er kann auch bei uns essen, mit Kieran und mir.«
Declan hatte die ganze Zeit den Kopf geschüttelt, erst langsam, dann heftiger und schließlich so vehement, dass er dabei fast ins Wanken geriet. Mit schreckgeweiteten Augen sah er sie an. »Nein! Nein!«, stieß er hervor, halb abweisend, halb flehend, nichts weiter zu sagen, als stellte Kitty ein unzumutbares Ansinnen.
Sie blieb unbeirrt. »Brauchst du nicht aber …«
»Niemand! Ich brauche niemand! Niemals!« Seine Worte klangen geradezu beschwörend, kamen einer flehentlichen Bitte gleich, ihn von einer unergründlichen Qual zu befreien.
Peter schien von all dem nichts gehört zu haben und rief von der Mauer herunter: »Gibt es zur Suppe auch Brot, Ms Sweeney?«
Kitty war von Declans Verhalten so bestürzt, dass sie auf den Zuruf völlig mechanisch reagierte und nur mechanisch das Wort wiederholte. »Brot?«
Peter kam mit halbleerer Suppenschüssel auf sie und Declan zu. »Ja, bitte. Brot würde gut zu der Suppe passen.«
»Ach so, Brot. Du möchtest eine Scheibe Brot.«
»Für die Suppe.« Wie zum Beweis hielt er ihr die Schüssel hin.
»Ja. Brot. Ich hätte daran denken können. Ich hol dir welches. Warte hier.«
Sie warf Declan einen Blick zu, eine unausgesprochene Bitte, dass auch er bleiben sollte, wo er war, und eilte fort.
Peter schaute auf die Schüssel in seinen Händen und streckte sie dann Declan entgegen. »Mögen Sie etwas Suppe?«
»Nein, danke«, flüsterte er.
»Hat Mrs Sweeney Sie meinetwegen gefragt? Hat sie Ihnen gesagt, dass ich gern Dachdecker werden möchte?« Er wartete gar nicht erst eine Antwort ab, sondern fuhr fort: »Falls sie Sie gefragt hat, haben Sie hoffentlich ›ja‹ gesagt. Meine Mutter hofft das auch. Erst befürchtete sie, bei all den Reichen jetzt hier würde dieses Kunsthandwerk in Vergessenheit geraten. Schilfdächer waren ja ein Zeichen der Armen. Jetzt meint aber meine Mutter, Schilfdächer werden bald wieder in sein, und nicht nur, weil man Dinge von früher nachahmen will. Sie werden bald wieder in Mode kommen, weil wir alle wieder arm sein werden. Es wird uns wie den Amerikanern gehen, hat sie gesagt, wo das ganze viele Geld nur zu ganz Wenigen fließt, so, wie es hier auch lange Zeit war, und der große Rest bekommt nichts ab, auch so, wie es bei uns mal war. In Amerika, sagt meine Mutter, gibt es Tausende und
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