Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
war still, fügte dann leise hinzu: »Fast gar nichts mehr, meine ich.« Und wieder schwieg sie. »Mehr sage ich jetzt nicht.«
Kitty ließ das Buch fallen.
Lolly rutschte von der Klippenkante zurück. Sie stand auf, bezeugte dem Meer eine abschließende Ehrerbietung, das heißt sie blickte lange darüber hin. Dann ging sie zu ihrem Auto. Nach wenigen Schritten blieb sie stehen. Kitty hoffte, sie würde weitergehen. Sie wollte warten, bis Lolly verschwunden war, sich ihrer Aufgabe entledigen und zurückgehen, um sich an etwas anderes zu machen, egal was. Lolly fing noch einmal an, Kitty blieb einfach sitzen und hörte zu, den Blick auf die Wolke gerichtet, die hoch im Norden stand.
»In der Nacht, in der Declan den Jungen im Garten begraben hat, ist er zu mir gekommen – damals habe ich das nicht gewusst, erst neulich hat er mir das erzählt auf den Stufen im Geheimgang. Dass er sich damals in der Nacht verändert hatte, das habe ich gespürt, und dass er mich noch mehr gebraucht hat als sonst, völlig verausgabt habe ich mich, um ihn zu befriedigen. Und das lass mich noch sagen, dann gehe ich. Die ganze Nacht waren wir beieinander, erst kurz vorm Morgengrauen gab er Ruhe. Und ich schlief ein. Geträumt habe ich nichts, doch die Sonne hat mich geweckt, und das ziemlich bald. Er war fort. Darin war er wie immer: Fort war er, und die Sonne war schon richtig aufgegangen. Ist ja auch egal, aber er kam zu mir, damals in der Nacht, zu keiner anderen. Nur zu mir.«
Kitty wartete, ob ihr noch mehr offenbart würde, doch alles blieb still, bis der Motor ansprang und der Wagen wegfuhr. Die Wolke aus dem Norden änderte ihren Kurs und zog hinaus aufs Meer.
Kapitel 12
Declan sah den infamen Bentley in den Burghof rollen. Der Motor schnurrte wie eine mit sich selbst vergnügte Katze. Da kein anderes Fahrzeug im Weg stand, beschrieb die Nobelkarosse einen Bogen und blieb neben dem Schuppen stehen, an dem der Dachdecker gerade arbeitete. Durch ein Fenster, das geöffnet war, um die Landluft hereinzulassen, rief der Fahrer: »Sind wohl tüchtig am Arbeiten, wie? Großartig, was Sie da leisten.« Er stieg aus dem Wagen und schlug, wie es seiner Natur entsprach, rücksichtslos die Tür zu. Gekleidet war er wie üblich in Leinenanzug und Seidenhemd. Nur hatte er diesmal den Schal fortgelassen, der dem Ganzen die besondere Note gab. Damit kam ein Adamsapfel zur Geltung, der mehr ein Wortknäuel schien, das sich in der Kehle des Mannes verfangen hatte und ihn somit hinderte, die Erde mit weiteren Schadstoffen zu verpesten.
Declan hielt es für das Beste, einfach weiterzuarbeiten und dem Gast so wenig Aufmerksamkeit zu schenken wie möglich. In einem Versuch, den Aufenthalt des Menschen von vornherein so kurz wie möglich zu gestalten, brummelte er: »Es ist keiner da. Die sind weggefahren.«
»Ist mir schon klar.« Der Mann sagte das so freudig, dass man daraus schließen konnte, die Abwesenheit der Burgbewohner kam ihm gelegen. »Mrs Sweeney nach Dublin, wo sie aus ihrem jüngsten Erfolgsroman lesen wird; der Titel ist mir gerade entfallen. Und er irgendwo in die Gegend von Blarney zu seinem Bruder, mit dem er Geschäftliches zu regeln hat; Genaueres weiß ich nicht.«
Declan war versucht zu murmeln ›Um sich mit einer zauberhaften Dame zu treffen, die einen Schimmel reitet‹; da er sich jedoch auf möglichst gar keine Konversation einlassen wollte, sagte er nichts.
Das schreckte Seine Lordschaft nicht ab. »Ich bedauere das Missgeschick«, fuhr er fort, »das meinen kürzlichen Besuch so unselig enden ließ. Doch das dürfte Sie kaum kümmern. Sie sind ein Künstler und als solcher davon ausgenommen, die Leiden gewöhnlicher Sterblicher zu beachten. Gestatten Sie mir festzustellen, dass Ihre Kunstfertigkeit ein ungewöhnliches Geschick offenbart.«
Er erwartete eine Erwiderung. Da keine erfolgte, stürzte er sich in eine offensichtlich wohl präparierte Rede, die vor allem an Declan gerichtet war. »Der wahre Grund meines Kommens besteht darin, erneut, wie schon zuvor, das meisterliche Werk zu bewundern, das Sie hier schaffen. Ich bin mir sicher, Sie sind sich dessen bewusst, dass meine Familie vormals Schutzherr all der Ländereien hier, einschließlich der Burg, war. Mir fehlen die Worte, um Ihnen zu versichern, wie glücklich es mich macht zu erleben, dass der Burghof dank Ihrer Hände Arbeit seine einstige Pracht zurückerhält. Sie üben ein Handwerk aus, das lange vernachlässigt wurde, und verschaffen mir
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