Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Großen Halle, habe ich sie das erste Mal gesehen. Damals glaubte ich, sie wären noch zwei von den Hausbesetzern, die hier gewohnt hatten, und hätten sich als Bauern verkleidet, um mich zu verspotten, weil ich die Burg erworben hatte. Ich wurde eines anderen belehrt. Und Kieran auch. Und dann erfuhren wir bald, was es damit auf sich hatte.«
»Ich habe immer gedacht, es war mit euch genauso wie mit mir. Dass ihnen von euren Familien in der Vergangenheit Beistand geleistet wurde.«
»Beistand? Eher das Gegenteil, fürchte ich.«
»Wieso?«
Brid hatte sich zu Taddy und dem Schwein gesellt, langsam bewegten sich alle drei bergauf. Kitty beobachtete sie, und auch Declan ließ keinen Blick von ihnen. »Es war eine McCloud und ein Sweeney, die die Verschwörung in die Tat umsetzen sollten, um zu verhindern, dass der damalige Lord Shaftoe in die Grafschaft hier zog. Die Burg sollte mitsamt dem Lord vernichtet werden, sein Körper gen Himmel katapultiert, seine Seele in die Hölle befördert werden, wo er längst kein unbeschriebenes Blatt mehr war. Aber sie waren fortgegangen, und das junge Paar wurde gehängt.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Den Rest weißt du selbst. Vielleicht war dir auch das, was ich eben gesagt habe, längst bekannt.«
»Das war es.«
»Woher?«
»Das spielt keine Rolle, nicht wirklich.«
Achselzuckend nahm Kitty seine ausweichende Antwort zur Kenntnis und gab sich zufrieden. Über die Geschichte weiter zu reden, war ohnehin kein Vergnügen.
Declan zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Brid und Taddy, die fast die Bergkuppe erreicht hatten. »Sieh nur, die beiden dort oben. Ob sie den Sonnenuntergang beobachten wollen?«
»Nicht den Sonnenuntergang als solchen«, meinte Kitty. »Er ist für sie das Zeichen, sich an den Webstuhl und an die Harfe zu setzen. Bisher ist es immer so gewesen. Bei Sonnenuntergang sind sie da. Er zupft die Harfe, und sie bewegt mit dem Fuß das Pedal des Webstuhls.«
Declan war versucht, sich zu erklären und zu sagen: Das wusste ich alles. Ich habe das Buch, den Katalog, die Notizen und Zeichnungen gefunden. Wenn es nach euren Plänen gegangen wäre, hätte Taddy die Harfe genommen, Brid den Webstuhl bedient, und den Rest hätten die Steinplatten besorgt. Aber mein System ist noch ausgeklügelter. Seine Lordschaft wird den Riegel zur Schlafzimmertür anheben – ihr aber werdet gar nicht mehr da, sondern längst unterwegs sein, und der Lord wird gleich nach dem Anheben des Riegels ebenfalls unterwegs sein,aber nicht nach Cork. Doch stattdessen sagte er: »Sie kommen zu uns wegen der Dinge, die vor langen Zeiten geschehen sind, als wir noch gar nicht existierten.«
Kitty nickte. »Schuld und Schande sind auf mich und Kieran übergegangen.«
»Es tut mir leid, dass ihr euch beschämt fühlt. Aber weder du noch Kieran habt es getan. Und eure Vorfahren ja auch nicht einfach aus Feigheit.«
»Es war eine McCloud, die es getan hat, und ein Sweeney, der es getan hat. Oder die es eben nicht getan haben. Das mit dem Sprengen der Burg. Und wie sieht es bei dir aus, Declan Tovey? Hatten deine Vorfahren nicht auch mit der Sache zu tun? Mit dem Hängen meine ich.« Sie fühlte an ihren Schenkel, was Declan nicht zu deuten wusste, wollte sich vergewissern, dass ein gewisser Gegenstand, den sie in ihre Hosentasche gesteckt hatte, noch da war, vielleicht hatte auch nur ein Muskel gezuckt, und sie wollte die Stelle beruhigen. Unter langsamem Kopfschütteln wandte Declan seinen Blick von Kitty ab und richtete ihn wieder auf den Berg. Brid und Taddy und auch das Schwein, alle drei waren verschwunden. »Sind sie jetzt hier? Brid am Webstuhl? Taddy an der Harfe?«
»Gleich werden sie es sein. Die Sonne muss noch ein bisschen tiefer stehen.«
»Und das ist jeden Tag so?«
»Es hat den Anschein, ja.«
»Und verbringen sie dort auch die Nacht? Ohne die Sonne?«
»Das weiß ich nicht. Und ich werde auch nichts tun, um das herauszufinden.« Wieder war ihr eine Haarsträhne in die Stirn gefallen. Ungeduldig strich sie sie zurück. »Ich habe dich aber etwas gefragt. Wie ist das mit dir? Hast du keine Schuld? Empfindest du keine Schande?«
»Kennst du denn unsere Geschichte nicht?«
»Man hört da so einige Gerüchte. Aber die wahre Geschichte, kannst du die erzählen? Ich würde sie gerne hören.«
Declan war verwirrt. Warum klang die Frau so ernst? Washatte er getan? Was hatte er gesagt? Doch schon fand er selbst den Grund. Natürlich würde sie nur schwer
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