Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
Vom Netzwerk:
Spielregeln. Kitty hatte ihn nie bedrängt, ihn nie gebettelt, war ihm nie mit Beteuerungen unendlicher Hingabe oder Drohungen der Selbstaufgabe gekommen. In seiner Eigenliebe hatte er sich – wenn auch nicht recht überzeugend – eingeredet, sie so großartig befriedigt zu haben, dass es keiner weiteren Beweise bedurfte. Aber irgendwie war etwas offen geblieben, er hatte das ungute Gefühl, dass ihre Beziehung zueinander in einer Art Schwebezustand gehalten wurde. Dass es Kitty nicht so gehen sollte, dass sie kein Verlangen nach ihm haben könnte, kam ihm nicht in den Sinn. Hin und wieder schlich sich ein solcher Gedanke ein, den schüttelte er aber mit der gleichen Hartnäckigkeit ab, die er gegenüber zänkischen Frauenzimmern bewiesen hatte, deretwegen er immer wieder in anderen Orten Zuflucht gesucht hatte, von wo er nach geraumer Zeit jedoch zurückkehrte, und so ständig auf Wanderschaft war.
    Als er Kitty jetzt dort stehen sah, verdrängte er die Vorstellung, dass sie bald ohne ein schützendes Dach sein würde, dass sie schon diesen Samstag nach Cork aufbrechen würde, um dortzu unterrichten, ein Aufbruch nicht ohne Kieran und die Kühe, selbstredend auch nicht ohne Computer, und dass sie nie wieder in diese hehren und umgeisterten Hallen zurückkehren würde. Und doch hatte er Ställe und Schuppen frisch gedeckt. Alles war frisch hergerichtet und in den ursprünglichen Zustand gebracht. Gewiss gab auch ihr das eine Befriedigung, kurz, wie sie nur sein würde.
    Ob aus einem Schuldgefühl heraus oder aus Mitleid, es drängte ihn, zu ihr zu gehen, um ein letztes Mal gemeinsam mit ihr die Burg zu genießen, die geheimnisvollen Vorgänge in ihren Mauern zu erspüren, die sie beide miteinander weit mehr verbanden als jedes Bettgeheimnis. Brid und Taddy, Wesen ohne Fleisch und Blut, hatten zuwege gebracht, was keine Verführung, kein Verlangen nacheinander vermochte: gemeinsames Mitgefühl, ein Verständnis für die Welt mit all ihren Eigenheiten, all ihren unvorhersehbaren Möglichkeiten. Verurteilt, mit Geistern zu leben, gehörten sie beide, Declan und Kitty, zu dieser Welt und zur nächsten. Und das band sie folglich aneinander.
    Auf dem ersten Absatz der Wendeltreppe kam er an Kittys Arbeitsplatz vorbei. Computer und alles, was dazu gehörte, waren schon fort, auch kein Manuskript lag mehr herum. Auf dem nächsten Absatz standen der Webstuhl und die Harfe, die bald nicht mehr benötigt wurden. Als er an die Aussichtsplattform gelangte, erwog er, nicht hinauszutreten. Traumversunken genoss Kitty die Aussicht. Die Landschaft im Spätnachmittagslicht, grasende Kühe und oben am Hang Taddy mit dem Geisterschwein, Brid etwas weiter unten bei den Kühen. Kitty, Herrin der Burg Kissane, sollte ein wenig Zeit für sich haben dürfen, sollte ungestört sehen können, was sie sah, in Ruhe über Dinge nachsinnen, die sie bewegten. Er wusste sehr gut, wie selten solche Momente für einen waren.
    Schon setzte er den rechten Fuß eine Stufe zurück, da hörte er Kitty sagen: »Komm, Declan. Bitte. Den herrlichen Anblick kann man auch zu zweit genießen.«
    Er nahm die oberste Stufe. »Woher wusstest du, dass ich hierbin? Ich war doch ganz leise.« Er hatte sich neben sie gestellt. Vor ihm der nahe Hang des Crohan, im Westen die Sonne, die die Schatten der grasenden Kühe länger werden ließ. Brid und Taddy und das Schwein warfen keine Schatten, waren sie doch selbst nur Schattengebilde. Nie würde ihnen die Sonne beim Auf- oder Untergehen den beruhigenden Beweis ihrer Existenz in Form ihres Schattenbildes geben können, egal wo.
    Kitty drehte sich zwar nicht zu ihm um, aber mit halbem Auge nahm er doch ein leises Schmunzeln auf ihrem Gesicht wahr, als sie sagte: »Nenn mir die Frau, die dich nicht bemerkt, Declan Tovey, wenn du nur ein paar Schritte weit weg bist.« Jetzt sah sie ihm direkt ins Gesicht. »Du warst früher schon mal hier oben?« Das war nur zum Teil eine Frage, es klang eine Gewissheit an in dem Satz, sodass sich eine Frageintonation erübrigte.
    »Ziemlich oft. Aber das ist schon lange her.«
    »Und du hast Taddy und Brid gesehen.«
    Die Feststellung überraschte ihn nicht. Es war an der Zeit, dass sie beide ihre gemeinsame Gabe offen bekannten. Und auch das Schwein sahen. Den Blick auf die Bergkuppe gewandt, nickte er. »Und du auch«, meinte er. »Hast du die Burg ihretwegen gekauft?«
    »Nein. Ich wusste nicht, dass sie hier sind, Kieran auch nicht. An unserem Hochzeitstag, bei dem Fest in der

Weitere Kostenlose Bücher