Das Schwein unter den Fischen
Hände meist in den Taschen ihrer tiefsitzenden Hosen. Zu jeder Jahreszeit trug sie die gleiche, viel zu große grüne Bomberjacke mit kaputtem Reißverschluss. Im Winter stand sie zitternd in der Raucherecke und zog sie eng um ihren Körper. Sie beherrschte es, mit Zigarette im Mundwinkel eine Unterhaltung zu führen, ohne dass ihr der Rauch in die Augen stieg. Sie konnte nach einem einzigen Zug ein Dutzend Ringe formen – und war noch dazu eine Einserschülerin. Eines ihrer Augen war grün, das andere braun, sie befand sich immer in einer grundalbernen Stimmung und war zu jedem nett, wenn auch nie übertrieben freundlich. Wäre sie nicht so viel jünger gewesen als ich, hätte ich sie gern besser kennengelernt.
Der Hausmeister erwischte Simon und mich schließlich im Schulgarten beim Kiffen. Zur Strafe zwang er uns, einen Aquavit mit ihm zu trinken. »Weil heute letzter Tag ist, ihr Arschgeigen!«
Ich kippte den Schnaps ins Beet der Fünftklässler, während Simon sich schon wieder nachschenkte und rief: »Da gehen mir aber die Lampen an, das ist was für Erwachsene! Gute Reise!«
Simon schenkte dem Hausmeister etwas von dem Gras, dann verzogen wir uns für immer vom Schulgelände.
Wir schlenderten in den Park. Eigentlich war es kein richtiger Park, man konnte die Straße hören und sehen, und es gab einen Parkplatz. Überall sah man Reste nächtlicher Gelage und anderen Müll: eine Fahrradklingel, ein halbleerer Beutel Oregano, ein abgerissener Buchdeckel, auf dem Rilke,
Sämtliche Gedichte
stand, und der mit einem neongelben Zwei-Euro-Aufkleber versehen war. Dann ein Barbie-Torso, abgebrannte Teelichter, ein leerer Flakon
CK One
, ein zerrissener Kontoauszug.
Der Müll war vollkommen sich selbst überlassen. Er lag überall, nurnicht auf dem Stückchen Rasen, auf dem ein Betreten-verboten-Schild stand.
Hinter den wenigen Sträuchern gleich neben der Wiese gab es zwei Tischtennisplatten, an denen nie gespielt wurde. Stattdessen tummelte sich dort eine in die Jahre gekommene Alkoholikerclique, die lautstark über Politik fluchte. Manchmal hauten sie sich auch gegenseitig auf die Fresse.
Da der Kiesweg durch den Park die Strecke von Block zu Block abkürzte und auf der anderen Seite ein großer Supermarkt war, eilten dort ständig ältere Damen mit Einkäufen vorbei und schauten sich ununterbrochen um.
Wir nahmen eine Weile auf der Lehne einer halbwegs sauberen Bank Platz, tranken noch mehr Champagner und taten so, als schwänzten wir die Schule. Kiffend zählten wir die vorbeihetzenden Omas. Wir fragten uns, ob sie Nazis gewesen waren, wie sie wohl mit neunzehn ausgesehen und ob sie jemals guten Sex gehabt hatten. Uns fiel unvermittelt ein, dass alle älteren Damen einmal Babys gewesen sein mussten, und nach einem Lachkrampf, den ich darüber bekam, brach mein Kreislauf zusammen.
Außer einem Mettbrötchen hatte ich vor der Prüfung nichts gegessen. Mein Vater hatte, wie jeden Morgen, noch bevor ich aufgestanden war, einen Eimer Zwiebelmett fertig. Er war überzeugt, dass nichts den Organismus besser schmierte als morgens zu einem schwarzen Kaffee rohes Fleisch zu essen.
Simon bot mir Koks an.
Als ich ablehnte, gab er mir aus seinem Rucksack einen knallroten Energydrink, massierte mir die Füße und sagte, er hätte sich gerade in mich verknallt. Ohne meine Reaktion abzuwarten, küsste er mich. Das heißt, er streckte spitz seine Zunge raus wie eine Schlange.
»Nicht so, mach mal weicher«, sagte ich.
Wir hatten beide einen fürchterlich trockenen Hals vom Rauchen, weshalb wir ständig husten mussten. Also tranken wir abwechselnd den Energydrink, ohne uns zu küssen. Er schmeckte nach Metall und Brausepulver. Irgendwann versuchte Simon, die Küsserei fortzusetzen.
Mit seinen Lippen auf meinen sagte ich: »Hör auf, mir ist schlecht.«
Nachmittags lagen wir bei mir zu Hause auf dem Bett. Simon zog eineLine Koks und legte sich auf mich. Sein Schwanz war überhaupt nicht hart. Ich sagte: »Ich schlaf nicht mit dir, das kannste gleich knicken!«
Er schob mein Hemd hoch und kreiste mit seiner Zunge in immer gleichen Bahnen um meine rechte Brustwarze. Sie wurde wund und hart, und ich fror. Er griff mir in die Hose und hechelte: »Nur ein Mal, kurz, bitte!«
Inzwischen war sein Schwanz steif, aber kaum größer.
Ziellos befummelte er mich und drückte schließlich hektisch auf meinem Harnausgang herum. Ich war für eine aufklärende Ansage einfach nicht in der Stimmung. Sollten sich doch andere
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