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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Dienstleister vor Feierabend nix an. Also bloß nie drauf antworten! Auch wenn du denen am liebsten in die Fresse hauen willst – halt deine Klappe! Solange du hinter meinem Tresen stehst, wünschst du einfach nur einen schönen was auch immer, verstanden?«
    Beim nächsten Mal wünschte ich Moses’ Mutter also einen »Schönen Abend!«.
    Sie drehte sich um, schaute auf die große Uhr hinter mir und keifte:
    »Ist doch grad mal fünf! Man muss den Tag auch mal Tag sein lassen, Kleine!«
    Sie gab Moses einen Schubs mit dem Knie und zog die Tür fest hinter sich zu.
    Andere, die sich bestimmt ein besseres Mittagessen hätten leisten können, kamen nur wegen Reiner. Eine Weile waren wir sogar ein kultiger Treff für Teenager. Bis die Bullen mit ein paar Eltern vorbeischauten und mit Lizenzentzug drohten. Reiner hatte sich von seinen minderjährigen Fans so geschmeichelt gefühlt, dass er irgendwann nicht mehr nach Ausweisen fragte, bevor er die Bierdosen rausgab.
    In letzter Zeit verbrachten wir die Schichten beinahe wortlos miteinander. Ramona ließ sich manchmal den ganzen Tag nicht blicken. Sie war neuerdings ständig unterwegs.
    Seit ein paar Häuser weiter eine Berufsschule für Friseusen Räume bezogen hatte, hing Tante Trixi um die Mittagszeit gerne bei uns rum. Ich war darüber hocherfreut, und Reiner sah sich das Schauspiel immerhin eine Weile kommentarlos an. Als Tante Trixi sich eines Tages durch die Friseusen-Gruppe drängelte und dabei einer Dame auf den Hintern schlug, verbannte er seine Schwester hinter den Tresen. Abgesehen davon, dass sie die meiste Zeit die Auslage leer aß und lüstern die maskenhaft geschminkten Heteroschnallen anbaggerte, einer besonders schönen Halbinderin sogar heimlich Wodka in die Apfelschorle kippte, war es für mich die schönste Zeit im Imbiss. Denn Tante Trixis Geschichten waren die besten von allen.

TANTE TRIXIS ENGEL
    Tante Trixi vertrieb sich niemals die Zeit mit ernsten Beziehungen, und sie hatte uns auch nie eine von ihren kurzen oder etwas längeren Liebschaften vorgestellt. Als wir zusammen im Imbiss arbeiteten, erfuhr ich endlich, woran das laut ihrer Selbstanalyse lag. Sie hatte nämlich schon immer ein verheerendes Problem mit ihrem Geschmack, da sie einfach nicht auf Lesben stand. Sie glaubte, auch wenn der Geschmack einem ein Leben voller Unglück beschere, könne man einfach nicht daran drehen. Sie war überzeugt davon, dass sie einfach nicht dazu bestimmt war – »von wem auch immer, von oben oder unten« –, glücklich zu sein.
    Immerhin hatte Tante Trixi eine gewaltige Portion Charme, Charisma und ein hübsches Gesicht mit Oma Sentas stechend grünen Augen. Das verhalf ihr zu einem durchaus unterhaltsamen Liebesleben. Sie bekam sogar die eine oder andere orthodoxe heterosexuelle Gattin in die Finger. Als ich sie fragte, ob ihre Vorliebe für diese spießigen Frauen vielleicht etwas mit ihrer Mutter zu tun habe, sagte sie in Oma Sentas empört hysterischem Tonfall:
    »Aber Kindchen, nein! Das ist ja widerlich, geradezu ekelhaft, was bist du bloß für ein verdorbener Teenager, Zelestine?!«
    Tante Trixi hatte ein riesiges Linda-Evans-Tattoo auf dem Rücken. Seit ihrer Jugend verehrte sie Linda Evans, sie nannte sie einen konservativen Engel. Ich war etwa sieben, als ich mich plötzlich fragte, was eigentlich diese milde lächelnde, perfekt frisierte Frau auf dem Rücken meiner Tante zu suchen hatte. An einem zu kalten Sommertag im Schwimmbad saß Tante Trixi vor mir in ihr großes schwarz-weiß-kariertes Handtuch gewickelt, Lindas Augen und ihr perfekt gezwirbelter Pony lugten oben heraus. Ich erkundigte mich, und Tante Trixi sagte, sie fühle sich von dem Bild auf ihrem Rücken gleichermaßen beschützt und angetörnt, Linda Evans sei fürsie der Hauptgewinn in der Lotterie der geistvollen Schönheit und somit absolut. Mit Linda Evans auf dem Rücken habe sie keine Angst mehr vor dem Tod.
    Ich verstand diesen Zusammenhang nicht und hatte vielleicht deshalb in diesem Moment zum ersten Mal Angst vor dem Tod.
    Tante Trixi schleppte, seit ich denken kann, eine riesige Tasche mit psychedelischem Muster mit sich herum, die zum Großteil aus Elastan bestand und mittlerweile ziemlich ausgeleiert war. Die Tasche nannte sie »Mutti«.
    Das Ding war meist bis zum Rand voll mit Wärmepflastern, Fleck-weg-Spray, Einwegrasierern, Chinaöl, Koffeintabletten, schokolierten Kaffeebohnen, einem Elbsegler, einem Tütchen Konfetti, Wunderkerzen, einem Fläschchen

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