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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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meinen Vater, wie er mit der Schaufel die Erde flachklopfte, während Ramona vor sich hin redete – es klang stark nach der erfundenen Sprache, die Iris benutzt hatte, als sie mir das Daumenlutschen austreiben wollte. In meinen Ohren surrte und piepte es, und esfühlte sich an, als würde Wasser hineinlaufen. Ich bemerkte nicht einmal mehr den Regen, der auf mich niederprasselte, ich hörte mich nur noch schwer atmen, als steckte mein Kopf in einer Taucherglocke. Ramona hielt ihren halbkaputten Schirm über ein paar Patschuli-Räucherstäbchen, deren Gestank sogar bis zu mir durchdrang. Ihre Nase triefte, sie warf die Stäbchen weg und rotzte wie ein Fußballspieler auf den Boden.
    Allmählich hörte es auf zu regnen, und durch den schmutzig grauen Himmel drang ein schwacher Sonnenstrahl. Ich roch frische, nasse Erde, hörte die Bäume rauschen und meinen Vater voller Pathos sagen:
    »Diese Katze hat es gut gehabt, so gut haben es ja nicht mal die alten Menschen in den technisierten Westländern hier. Rentner leben schlechter als Haustiere, Rentner sind es, die in diesen Tierheimshows auftreten sollten.«
    Tante Trixi rief: »Können wir jetzt gehen, ich glaub, da drüben auf der Birke sitzt ein Zombie.«
    Ramona sagte:
    »Katzen können die Toten sehen. Schade, dass Friedrich jetzt selber tot ist.«
    Als ich sie fragte, woher sie das wisse, meinte sie:
    »Ja, woher? Ich bin eben schon länger auf der Welt als du.«
    »Ja«, flüsterte mir Tante Trixi ins Ohr, »schon viel zu lange.«
     
    In den Wochen nach Friedrichs Tod starrte Reiner die meiste Zeit vor sich hin und war ungewohnt unfreundlich zu den Kunden und zu uns allen. Ramona ging ihm aus dem Weg, trank noch mehr als sonst und arbeitete deshalb noch weniger im Imbiss. Wenn sie sich doch mal aufraffte, verkaufte sie halbgebratene Würstchen, grün angelaufenes Mett, füllte Senf in den Ketchup-Spender, arbeitete in durchsichtigen Blusen und ohne BH, drehte Howard Carpendale so laut auf, dass der Sound durch die geschlossene Tür bis auf die Straße und nach oben in unsere Wohnung drang. Sie gab zu viel Wechselgeld raus und zweigte Geld für sich aus der Kasse ab.
    Über viele Wochen hinweg übernahm ich all ihre Schichten. Der Fettgeruchging nicht mal mehr nach einer langen, heißen Dusche weg. Ich lernte, dass ich stundenlang hinterm Tresen stehen konnte, ohne auch nur einen brauchbaren Gedanken zu haben. Fast jeden Tag passierte das Gleiche zur gleichen Zeit.
    Jeden Freitag, kurz vor Feierabend, betrat ein älterer Herr in einer engen stonewashed Jeansjacke mit glühendem Gesicht den Imbiss. Er trug stets einen noch extravaganteren Hut, und ich sagte jedes Mal:
    »Das ist ja mal ein Hut!«
    Dann fasste er sich an den Kopf, als würde er sich an nichts erinnern.
    »Wie meinen?«
    »Na, ein schöner Hut ist das!«
    »Ach so, vielen Dank, kleine Madame.« Er nickte mir zu und lächelte.
    Er bestellte immer eine kalte Frikadelle, dazu eine Fanta mit viel Eis und Strohhalm, setzte sich an das Tischchen in der Ecke, rief mir nach etwa einer Minute zu, er warte auf seine Liebste, trank die halbe Fanta in einem Zug und kam dann wieder zu mir an den Tresen. Betrübt schaute er mich an und sagte, seine Liebste komme wohl nicht mehr, jetzt brauche er dringend verlässlichen Trost. Ich hatte den Wodka schon aus dem Tiefkühler geholt und goss ihm für lau seine Fanta damit auf.
    Von Montag bis Mittwoch, kurz nach fünf, hatte ich stets das Vergnügen mit einer zeternden dürren Mutter, die in wöchentlich wechselnden Leggings die Tür auftrat. In einer Hand hielt sie eine Riesenflasche Cola Light, an der anderen zog sie ihren dicken Jungen hinter sich her. Atemlos und hustend beschimpfte sie ihren Sohn, schmierte ihre Kehle mit einem Schluck Cola und bestellte Pommes XXL. Während ich frittierte, redete sie weiter auf ihr Kind ein, regte sich über ihre Kolleginnen auf oder schimpfte auf ihren Mann. Sobald ich ihr die Pommes überreichte, stopfte sie dem Jungen gleich mehrere auf einmal in den Mund und brüllte:
    »So, Moses, jetzt iss das und halt die Fresse, Mama braucht auch mal Ruhe!«
    Moses kaute, die Augen starr auf seine Mutter gerichtet. Die junge Frau steckte mittwochs immer einen Euro Trinkgeld in das lachende Porzellan-Sparwürstchen auf dem Tresen und zwinkerte mir zu:
    »Hab auch lange in so einer Bude gejobbt! Lass dich heiraten, alles wird gut, tach auch!«
    Reiner nahm mich irgendwann zur Seite und meinte: »Der Dreck von anderen geht uns als

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