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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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fertig sind, ist Tante Trixi noch immer nicht aus ihrem Schlafzimmer gekommen. Langsam verlässt mich die Zuversicht, alles könne zumindest an diesem Abend gut werden.
    Dr. Ray steht auf, geht im Zimmer herum und zupft an seinem Rollkragen. Irgendwann lässt er seinen Kopf dann darin verschwinden.
    Reiner schreitet, eingewickelt in ein weißes Handtuch und mit einem Turban auf dem Kopf, aus dem Bad und sagt: »So, jetzt ist wieder klare Brise im Gehäuse! Joseph, wo ist dein Kopf?«
    Mein Handy klingelt, und in dem Moment, als ich rangehe, erscheint Tante Trixi strahlend auf der oberen Treppenstufe. Sie blickt vielsagend in die Runde und schreitet dann langsam die Treppe hinab. Während Dr. Ray sich noch einen Martini einschenkt, kreischt Ramona durchs Handy, wo wir bleiben, sie sitze schon längst im Restaurant.
    »Wo warst du denn?«, unterbreche ich sie. »Warum schaltest du dein Handy aus, wir wollten uns doch hier treffen, du kannst ja wenigstens mal anrufen, Reiner hat sich Sorgen gemacht.«
    »Batterie war leer. Und jetzt bin ich doch wieder ansprechbar, gib mal Reiner!«
    »Papa, Ramona ist schon im
Casa Blanco

    »Sag ihr, sie soll ein Apfelschörlchen trinken, ich föhne mir noch in Ruhe die Haare.«
    Ramona brüllt, sie trinkt, was sie will, und legt dann auf.
    Tante Trixi trägt ein langes weißes Kleid mit zu viel Dekolleté. Dazu goldene Sandaletten. Sie ist gebräunt, als sei sie in den letzten Tagen mehrmals auf der Sonnenbank gewesen. Ihre blondierten Haare sind zu kleinen Zöpfen geflochten, und sie riecht zu stark nach
Coco Chanel.
Unten angekommen geht sie direkt auf Dr. Ray zu, nimmt eine Schere aus ihrer Tasche und schneidet einen Schlitz in seinen noch immer über den Kopf gezogenen Rollkragen.
    »Prost, Joseph! Happy Birthday to me!«
    Dr. Ray nimmt einen Schluck durch den Schlitz und sagt:
    »Ich schenke dir vierhundertachtundfünfzig Euro, das war der Preis vom Pulli, darling.«
    »Das wäre doch nicht nötig gewesen, mein Bester«, antwortet sie.
    Ich stehe auf und breite meine Arme aus. Ich konnte noch nie ganz um Tante Trixi herumgreifen. Je größer ich wurde, desto mehr nahm sie an Masse zu – so blieb alles beim Alten.
    »Einen Herzlichen zum Geburtstag. Gut, dass du runtergekommen bist!«
    »Runter? Nein! Ich bin nur besser draufgekommen.«
    Ich drücke ihr einen Kuss auf den Mund. Sie grinst mit ihrem überschminkten Mund so breit, dass man alle Zähne sieht. Auf den vorderen ist Lippenstift.
    »Schöne Farbe«, sage ich.
    »Ja,
Rouge Roulette
. Das Einzige, was ich von Eva noch hab.«
    »Du trägst ihren Lippenstift? Den Lippenstift einer Toten?«, ruft Dr. Ray und krempelt seinen Kragen runter.
    Ich hoffe, dass mein Vater auf der Stelle etwas dazu sagt. Und er tut es:
    »Ich will hier ja jetzt keine dicke Lippe riskieren, aber tote Lippen soll man küssen!«
    Der Einzige, der lacht, ist Dr. Ray. Er hat inzwischen fast die ganze Flasche Martini ausgetrunken.
    Reiner zieht sich im Badezimmer bei offener Tür wieder an. Ich sehe, wie Dr. Ray einen Blick auf meinen nackten Vater riskiert und das Gesicht verzieht. Ohne aufzublicken ruft Reiner:
    »Na, Joseph, das mal ein Körper, was?«
    Ich gebe Tante Trixi mein Geschenk, eine Gummikugel für ihre Tasche »Mutti«. Sobald man an einer Schnur zieht, geht die Kugel auf, und es werden zwei Strandlatschen daraus. Man muss doch mit allem rechnen, selbst damit, dass es Sommer wird, auch wenn man sich das gerade überhaupt nicht vorstellen kann. Tante Trixi zieht sofort an der Schnur und schlüpft mit einem zufriedenen Seufzer in die Latschen:
    »Wo hast du geparkt, Bruder? Ich bin nämlich so weit! Und wo ist eigentlich der Kobold? Ähm, pardon, Ramona?«
    »Sie wartet im Restaurant«, meint Reiner mit gesenktem Kopf.
    »Na, dann mal schnell, sonst gibt es da ja gleich nichts mehr zum Anstoßen!«
     
    Das plüschige Lokal ist voll bis auf einen großen Tisch genau in der Mitte, an dem Ramona vor einer leeren Sekttulpe sitzt.
    Dr. Ray hat so viel Martini intus, dass er noch vor dem Essen anfängt, »Bang Bang« von Nancy Sinatra zu singen. Ramona haut mit der flachen Hand auf den Tisch und schreit, er solle aufhören, sie hasse dieses Lied. Als er weitersingt, versucht sie ihn unterm Tisch zu treten, aber ihre Beine sind zu kurz, und sie fällt vom Stuhl.
    Dr. Ray stimmt »Three Times a Lady« von Lionel Richie an und schnipst mit den Fingern, Ramona brüllt, dass sie dieses Lied am allermeisten von allen Liedern auf der Welt hasse.

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