Das Schwein unter den Fischen

seufzt und öffnet Tante Trixis Kühlschrank. Nachdem er eine Weile darin gestöbert hat, ruft er: »Hello!« und schwenkt eine Flasche roten Martini hin und her (als gebe es nichts Erfreulicheres auf der Welt).
    Er schenkt zwei Saftgläser randvoll ein, und als ich ablehne, trinkt er beide eins nach dem anderen in einem Zug aus und sagt:
    »Ist ein wichtiger Tag heute für euch alle, oder?«
    »Na ja, wir gehen außer an Tante Trixis Geburtstag nie alle gemeinsam irgendwo hin.«
    »Ja, Familie braucht Rituale, Ritual ist wie Familiensuperkleber.«
    »Wo ist denn dein Mann?«
    »Klaus? Oh, der Verrückte hat versucht, sich seinen Nacken selber einzurenken! Jetzt fühlt er sich nicht so gut. Er hat ein Schmerzmittel genommen, nun er ist sehr müde und sehr glücklich, das war’s für heute! Aus das Mickey Mouse!«
    »Schade«, lüge ich. »Klaus ist so komisch, wenn er einen Witz erzählt. Wie er dann selber ewig weiterlacht, auch wenn kein anderer lacht.«
    »O ja, und über meine Witze lacht er nie, nicht mal aus Höflichkeit, wenn andere Leute dabei sind. Mach dir keine Sorgen, es wird auch ohne Klaus big fun. Ich werde alles geben! Und dein Vater ist ein sehr lustiger Frosch.«
    »Du meinst: komischer Vogel!«
    »Ja, aber er guckt manchmal wie ein Frosch oder dieses andere froggy Tier, heißt Krote?«
    »Kröte!«
    »Er hat ein bisschen den Habitus von Trixi, aber sie ist natürlich viel schöner! Ach, ich freu mich, birthday party in das großartige strange Restaurant
Casa Blanco
! Oder meinst du, es ist doch zu viel für sie heute?«
    »Nö. Glaubst du, Tieren wird es auch manchmal zu viel?«
    Reiner kommt die Treppe runtergesprungen und ruft: »It’s time for music! Seid ihr auch so weit, Trixi zieht sich gerade an.«
    »Wie hast du es geschafft?«, staunt Dr. Ray.
    »Ich hab ihr nur versprochen, dass sie diesen Sommer mit uns auf den Campingplatz nach Italia mitkommen darf!«
    Das ist eine Katastrophe. Am liebsten würde ich gar nichts dazu sagen, so wütend bin ich.
    »Reiner! Bist du bescheuert? Ramona bringt Tante Trixi um, wenn die nicht vorher Ramona umbringt! Das wird kein Urlaub, das wird Horror! Da hab ich keinen Bock drauf!«
    »Na, dann wären wir immerhin zwei Schlampen auf einen Schlag los, was, Stint? Gib mir mal einen Schluck von deiner Martina, Joseph!«
    »Du trinkst das, Reiner? Habe gedacht, immer nur Bier und Bier mit Schnaps und Bier mit Limo.«
    »Ach, gib her die Sippsche, ich muss vergessen, was ich grad angestellt hab. Stint hat ja recht, wo Stint recht hat! Aber Ramona muss das verstehen, die muss da jetzt durch, Blut is dicker als Schnaps. Wo ist die alte Suffschlumpe eigentlich? Ruf da noch mal an, Stint. Und sag ihr, Trixi fährt mit uns in die Ferien. Wir konnten sie leider nicht nach ihrer Meinung fragen, da sie nämlich mal wieder nicht da war. Sagt mal, poppt die jetzt ihre Bauchtanzlehrerin, oder was? Eine Lesbe in der Familie reicht doch!«
    »Papa, beruhig dich!«
    »Birthday is birthday«, trällert Dr. Ray.
    »Ach was, meiner Schwester tut das nichts, die mag das, wenn ein Konflikt siedet. Ich geh mir mal das Gemüt runterkühlen.«
    Reiner verschwindet im Badezimmer. Kurz darauf hört man es laut plätschern, als ließe er sich ein Bad ein.
    Ich halte mein Ohr an die Tür, an der ein Riesenposter von Victoria Beckham hängt. Er lässt tatsächlich Wasser in die Wanne laufen.
    Ich klopfe gegen Poshs Kopf.
    »Reiner, haben wir denn noch so viel Zeit, dass du in Ruhe ein Bad nehmen kannst?«
    »Keine Sorge, Stint, ist eiskaltes Wasser. Will nur einmal untergehen, dann ist wieder gut.«
    Mein Vater legt sich manchmal in eine Wanne mit eiskaltem Wasser, wenn ihm der Kopf schwirrt. Er nennt das
Antisauna
.
    Ich setze mich zu Dr. Ray auf das alte Sofa von Oma Senta und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Tante Trixi hat den Schonbezug nie abgenommen. Er ist so schmutzig, dass man kaum das Muster des Sofas erkennen kann.
    Dr. Ray wischt mit seinem feinen Stofftaschentuch an einem Rotweinfleck herum. In der Küche finde ich Sprühreiniger, aber weder einen Lappen noch eine Küchenrolle. Also muss ich ins Bad. Ich klopfe mehrmals an Victorias Kopf, bekomme aber keine Antwort. Ich betrete die Antisauna. Wie erwartet ist Reiner mit dem Kopf unter Wasser und zählt über Wasser mit einer Hand die Sekunden ab. Ich verschwinde mit dem Klopapier, bevor er wieder auftaucht.
    Zusammen mit Dr. Ray putze ich den Plastikbezug, bis man darunter wieder Ranken und Blumen erkennen kann. Als wir