Das Schwein unter den Fischen
alle bei Blanco, wir werden Spaß haben, wir sind eine große Familie, wir und der Schwuli, alles Rock ’n’ Roll!«
»Nenn Dr. Ray nicht immer so, das ist armselig.«
»Wieso nicht? Stört dich, dass er schwul ist? Bist ein bisschen verknallt in den, was? Hab ich gesehen, deine roten Wangen, wenn der dir ein Küsschen zur Begrüßung gibt.«
»Schwachsinn, Papa!«
»Na komm, der ist ja auch ein Hübscher und riechen tut er auch gut. Hab ihn gefragt, er sagte, das sei Bergamotte, teures Zeug, könne man im Internet bestellen, direkt aus Kalabrien. Und immer gut drauf ist er auch, wie ich! Wenn der nicht immer so auf schlau machen würde, könnt der glatt mein Bruder sein! Sein Macker dagegen ist ’ne richtig launische Trulla, kommt der auch?«
»Nee, ich glaub, der kommt, wenn überhaupt, erst spät ins Restaurant.«
»Gut, den kann ich nämlich nicht ab, das ist so ein Spießer!«
Mein Vater schielt leicht mit dem rechten Auge, was mir in den letzten Wochen schon ein paarmal aufgefallen war, vielleicht ist es ein Tumor, vielleicht aber auch nur Nervosität.
Ramonas Mailbox geht an, sie spricht mit ihrer heiseren Stimme, wie eine Nutte. Ramona zieht seit einer Weile wieder in ihren alten Stretchkleidern um die Häuser. Dreimal in der Woche hat sie angeblich Bauchtanz. Sie behauptet, »das hilft gegen Rücken« und fülle sie auch sonst aus. Manchmal träume ich, wie sie tanzt, aber in meinen Träumen tanzt sie in ihrem Bauchtanzoutfit diesen seltsamen irischen Stepptanz. Immer häufiger träume ich, dass sie auf dem Nachhauseweg verschwindet und in mehrere Müllsäcke verpackt gefunden wird. Reiner klingelt lange an Tante Trixis Tür, und ich kaue auf einer Haarsträhne herum. Reiner haut mir auf die Finger: »Was machst du denn da wieder für Kindereien?«
Er hält mir Tante Trixis Geschenk, einen ganzen Balkonkasten bepflanzt mit gelben Stiefmütterchen, vors Gesicht:
»Halt das, Stint, und lass das Knabbern! Eine junge Dame steckt sich nichts in den Mund!«
»Papa!«
Er kriegt einen roten Kopf.
»Entschuldige, entschuldige, ähm. Ich mein ja nur, jetzt haste das mit dem Nuckeln endlich im Griff und, ach, ich sag gar nichts mehr.«
Ich nehme ihm das sperrige Ding ab.
»Scheißhässliche Blumen sind das! Wieso eigentlich gelbe Blumen?«
»Wieso nicht, gelb wie die Sonne!«
»Und der Neid!«
»Neid ist was für Feiglinge. Trixi ist eine mutige, dicke Sonne, bei der jemand das Licht gedimmt hat.«
Reiner beginnt »Happy Birthday« zu singen, als die Tür sich öffnet. Doch da steht Dr. Ray, und Reiner verstummt.
Dr. Ray trägt heute den Dalí-Pulli mit den Tigern und sieht sehr gut, aber schlecht gelaunt aus.
»I’m so glad to see you! Die Lady schafft mich! Seit Stunden versuche ich zu verbessern die Situation. No chance! Ich könnte langsam Trixi treten in die ass! Aber birthday is birthday!«
Ich befeuchte meine Lippen, mir wird schwindelig, da nimmt Dr. Ray mir den schweren Blumenkasten ab. Mein Kreislauf stabilisiert sich, ebenso Reiner, der das Geburtstagslied genau an der abgebrochenen Stelle wieder aufnimmt. Dr. Ray stimmt mit ein und deutet mit dem Kopf nach oben auf Tante Trixis geöffnetes Schlafzimmerfenster. Als sie das Lied fertig gesungen haben, sagt Dr. Ray wieder: »Birthday is birthday«, stemmt den Blumenkasten in die Höhe und geht hinein.
»Ja, Joseph, geboren werden wir alle nur einmal oder keinmal«, erwidert mein Vater und drängt sich an Dr. Ray vorbei ins Haus.
»Du bist so ein Spinner, Reiner, und immer mit Brett vor Kopf durch das Wand. Du bist ein very funny guy! Ich bin sicher, dass du bist viel mehr klug, als du zeigst in dein neverending show.«
»Ich wasch dir gleich deinen hübschen Ami-Klugscheißerkopf, Joseph! Denk nicht so viel, und vor allem quatsch nicht rum! Sag mir einfach nur, wie es um meine Schwester und ihre Turbulenzen steht.«
»Sie ist noch immer in bed in Pink-Panther-Unterwäsche. So kann sie nicht in die
Casa Blanco
.«
Ich bin mir sicher, auch das würde im
Casa Blanco
nicht weiter auffallen.
»Alles paletti, ich mach meiner Schwester mal Dampf unterm Furzkissen! It’s time for music!«
Reiner springt die Killertreppe hoch.
»Na, dann mal Remmidemmi!«, rufe ich.
Dr. Ray nimmt mich fest in den Arm, küsst mir die Stirn und klopft mir auf den Rücken.
»Alles wird gut oder zumindest besser.«
Er drückt mich an seine breite Brust, er riecht nach Bergamotte, Seife und Wolle. Beinahe hätte ich ihn geküsst, da lässt er mich los,
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